Von Haiti bis Polen: Das Thema Abstammung bei den US-Wahlen
Im US-amerikanischen Wahlkampf spielt das Thema Abstammung eine wichtige Rolle. Kamala Harris setzt auf den Wunsch nach Veränderung, Trump geht die Sache anders an.
Die demokratische Präsidentschaftsanwärterin Kamala Harris hat es anscheinend nicht so sehr mit Identitätspolitik: In ihrem Wahlkampf macht sie kein großes Thema daraus, dass sie bei einem Sieg die erste schwarze Frau mit indischen Wurzeln im Weißen Haus wäre. Ihr Vater stammt aus Jamaika, ihre Mutter aus Indien, ihr Ehemann ist jüdisch: Ihre Familie ist der Inbegriff der modernen multi-ethnischen Vereinigten Staaten. Was die Frage der Zugehörigkeit angeht, ähnelt sie damit Barack Obama: Auch der erste afroamerikanische Präsident sprach wenig über diesen historischen Umstand.
Allerdings prägen Identität und Abstammung häufig die Politik – sei es bei republikanischen verbalen Angriffen auf Migranten aus Haiti oder der überraschenden Beschäftigung des Wahlkampfs der Demokraten mit den etwa zehn Millionen US-Amerikanern polnischer Abstammung. Im Universum des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zieht Panikmache vor Fremden.
Republikaner sehen Migration als Bedrohung
Bei einer Umfrage des Senders CNN Ende September erklärten 55 Prozent der befragten Republikaner, die „zunehmende Zahl von Menschen verschiedener Rassen und Nationalitäten“ sei eher eine Bedrohung als eine Bereicherung. 2019 haben laut CNN 21 Prozent so gedacht.
Wie die das Forschungsinstitut Pew Research Center ermittelte, haben 2020 55 Prozent der Weißen, acht Prozent der Schwarzen, 38 Prozent der Hispanics und 28 Prozent der Wähler asiatischer Abstammung Trump gewählt. Donald Trump mit seinem aus Kallstadt in der Pfalz eingewanderten Großvater ist „der weiße Kandidat“. In einem 2011 aufgenommenen Video sagte Trump, er sei stolzer Deutsch-Amerikaner.
Nationale europäische Identitäten haben in den USA zwar an Bedeutung verloren. Kamala Harris hat dennoch Wahlwerbung mit Lob für die „freiheitsliebenden Polen und Ukrainer“ geschaltet. Im TV-Duell gegen Trump behauptete Harris, unter einem Präsidenten Trump würde „Putin in Kiew sitzen“.
Migranten in Swing-States könnten entscheidend werden
Schon lange nicht mehr habe sich die Politik so intensiv mit polnisch-stämmigen Bürgern gefasst, sagte der Kommunikationswissenschaftler Dominik Stecula dem Evangelischen Pressedienst (epd). Stecula ist Mitglied im Direktionsrat des Forschungsinstituts Piast in Hamtramck in Michigan, das sich mit polnisch-amerikanischen Angelegenheiten befasst.
Der Grund erscheint offensichtlich: In drei für den Ausgang der Wahl wichtigen „Swing“-States leben viele Bürger polnischer Abstammung, laut „Newsweek“ geschätzt 481.000 in Wisconsin, 784.000 in Michigan und 758.000 in Pennsylvania. Die polnisch-amerikanische Community habe möglicherweise eine Chance, „zu entscheiden, wer der nächste Präsident wird“, sagte Ende September der Harris-Wahlkampfmitarbeiter Quinton Fulks in CBS. Joe Biden hatte Pennsylvania 2020 mit einem Vorsprung von 80.000 Stimmen gewonnen.
Trump und Vance schüren Angst
Nach Ansicht des Kommunikations-Experten Stecula haben beide Parteien etwas anzubieten: Harris ihr Bekenntnis gegen Russland, Trump finde wohl Gehör mit seinen Reden für die „vergessene“ Arbeiterschicht.
Wisconsin, Michigan und Pennsylvania liegen im sogenannten „Rostgürtel“. Wählerinnen und Wähler polnischer Abstammung seien „kein monolithischer Block“. Auch etwa eine Million Menschen ukrainischer Abstammung lebt in den USA, laut Regierungsdaten mit den größten Konzentrationen in New York und New Jersey – verlässlich demokratisch wählende Staaten.
Donald Trump und sein Vize J.D. Vance wollen Angst vor Migranten machen. Gemeint sind Migranten mit schwarzer und brauner Hautfarbe. Seit Wochen schon vertritt das republikanische Gespann die Lüge, Migranten klauten und verspeisten Haustiere in Springfield in Ohio, einer Stadt mit vielen Einwanderern aus Haiti.
Was machen die jüdischen Wähler
Vance hat in seinen viel beachteten Erinnerungen „Hillbilly Elegy“ (2016) über seine Familiengeschichte geschrieben. Er sei schottisch-irischer Abstammung. Seine Traditionen hätten viel Positives wie Loyalität und Patriotismus, doch auch Schlechtes: „Wir mögen keine Menschen von außen, die anders sind“, ob nach Aussehen, Verhalten oder wie sie reden. Wolle man ihn verstehen, müsse man verstehen, dass er im Herzen ein schottisch-irischer Hillbilly sei. Hillbilly gilt als Beschreibung ungebildeter Hinterwäldler, wird jedoch von manchen „Hillbillys“ als Ausdruck des Stolzes verwendet.
Trump erregte sich zudem jüngst über jüdische Wähler. Trotz seines Einsatzes für Israel habe er 2020 nur 24 Prozent der jüdischen Stimmen bekommen, klagte er laut „New York Times“. Verliere er 2024, hätten jüdische Wähler viel mit dem Ausgang zu tun, spekulierte Trump.
Viele Amerikaner arabischer Abstammung und Muslime wählen ebenfalls demokratisch. Nach Angaben des Arab American Institute (AAI) haben Amerikaner arabischer Abstammung 2020 zu 59 Prozent für Joe Biden gestimmt und zu 35 Prozent für Trump. Wegen seiner Haltung zum Krieg in Gaza habe Biden drastisch eingebüßt, berichtete das Institut im Juni. 79 Prozent hätten eine negative Meinung von Biden. Wie viel Kamala Harris wettmachen kann, ist offen. Von Trump hätten aus dieser ethnischen Gruppe jedoch auch 55 Prozent eine negative Meinung.