Von diesem Kirchturm gibt’s Gitarrenklänge

Alle 15 Minuten zeigt der Turm die Zeit – allerdings nicht mit Glockenschlägen, sondern mit Gitarrenriffs. Gewöhnungsbedürftig, aber unterm Strich ein Gewinn, finden die Anwohner.

Von der Veddeler Kirche kommen Gitarrenkl#nge
Von der Veddeler Kirche kommen Gitarrenkl#ngeBenjamin Brunn

Hamburg. Die evangelische Immanuelkirche im Stadtteil Veddel klingt derzeit anders: Wenn alle Viertelstunde vom Kirchturm die Zeit angekündigt wird, sind keine Glockenschläge zu hören – sondern Gitarren-Riffs. Das ungewöhnliche Kultur-Projekt nennt sich „Klangturm Veddel“.

Ermöglicht wird es durch einen Gebäudeschaden: Die im 2. Weltkrieg weitgehend zerstörte ehemals neugotische Kirche wurde 1952 wieder aufgebaut. Mittlerweile lässt die Statik des Turms ein reguläres Glockengeläut nicht mehr zu. Um die Sicherheit für die Besucher zu gewährleisten, wurden schon vor über einem Jahr die Glocken stillgelegt. Seitdem tönt der Klang der Glocken im Turm aus Lautsprechern.

Auch internationale Künstler dabei

Die Idee für den Klangturm hatte Benjamin Brunn – Bauingenieur, im Nebenberuf Klangkünstler und Mitglied im Kirchengemeinderat. Er wählte zwölf internationale und regionale Künstler aus, die den Klang des Kirchturms jeweils für einen Monat gestalten dürfen. Im Juni 2022 übernimmt dies ausnahmsweise eine Veddeler Schulklasse. Die Idee für das Klangprojekt sei überwiegend positiv aufgenommen worden, sagt Brunn.

Zu hören sind die Klänge der Turmuhr täglich von 8 bis 20 Uhr im Viertelstundentakt, um 18 Uhr wird ein längeres Musikstück geboten. Nur montags sind die traditionellen Glocken aus dem Lautsprecher zur hören. Gemeindegottesdienste werden auf der Veddel nur noch an hohen Festtagen gefeiert. Eingeladen wird dazu wie bisher mit traditionellem Glockengeläut.

Das Kulturprojekt soll 13 Monate lang laufen. Für Juli hat der Berliner Musiker Andrew Pekler die Aufgabe übernommen. Er ist in Usbekistan geboren, in den USA aufgewachsen , lebt inzwischen in Berlin und hat schon an mehreren internationalen Festivals teilgenommen. Sein Album „Sentimental Favourites“ wurde 2011 mit dem Qwartz Electronic Music Award ausgezeichnet. Für sein Klangprogramm spielt er auf seiner E-Gitarre.

Das sagt die Diakonin

Für viele Menschen auf der Veddel seien die neuen Töne recht gewöhnungsbedürftig gewesen, sagt Diakonin Uschi Hoffmann, die das Kirchencafé neben der Veddeler Kirche leitet. Es habe viele Diskussionen gegeben, nicht überall habe das Projekt Zustimmung erfahren. Unterm Strich sei es jedoch ein Gewinn für den Stadtteil. „Man hat wieder einen Anlass, miteinander zu reden“. sagt Hoffmann. Die Corona-Pandemie sei der ideale Aufhänger für das Projekt, meint Benjamin Brunn: „Ich wünsche mir, dass der Stadtteil viel Positives daraus schöpft.“