Verfassungsschutzbericht: mehr Bedrohung durch Extremismus in NRW

Die Demokratie ist nach Einschätzung von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zunehmend durch Extremismus bedroht. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten sei in NRW 2023 in nahezu allen Bereichen gestiegen, sagte Reul bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts am Donnerstag in Düsseldorf. Insgesamt sei die Bedrohungslage durch Islamismus, Rechts- und Linksextremismus sowie Spionage „so hoch wie nie zuvor“.

So registrierten die Sicherheitsbehörden im Vorjahr 547 antisemitische Straftaten. Das waren 65 Prozent mehr als 2022. Vor allem seit dem Terroranschlag der Hamas gegen Israel am 7. Oktober seien die Zahlen deutlich gestiegen. „Aus Sicht des Verfassungsschutzes war dies ein entscheidender Tag für Entwicklungen in unserem Land, die uns sorgen müssen. Der Antisemitismus ist mit seiner hässlichen Fratze auf unsere Straßen zurückgekehrt“, so der Minister.

In den meisten dieser Fälle ging es um Volksverhetzung, Propaganda und Sachbeschädigungen. Extremisten verschiedener Prägungen wie Islamisten oder türkische Rechtsextremisten nutzten den Terroranschlag dazu, ihre Anhänger zu mobilisieren, erläuterte Reul. Straftaten mit religiösem Hintergrund verzeichneten 2023 mit einem Zuwachs von 400 Prozent auf 305 den insgesamt höchsten Zuwachs.

Als größte Bedrohung für die Demokratie sieht Reul den wachsenden Rechtsextremismus an. Denn dieser sei weiter in der bürgerlichen Mitte unterwegs und „mit seiner menschenverachtenden Ideologie schleichendes Gift für unsere Gesellschaft“. Aus der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verunsicherung schlage er besonders Kapital. Die Zahl der Straftaten stieg hier um annähernd drei Prozent auf 3.549. Auch hier überwogen Propagandadelikte und Volksverhetzung.

Insgesamt erfasste der Verfassungsschutz im bevölkerungsreichsten Bundesland im Vorjahr 7.596 politisch motivierte Straftaten. Das waren zwar 15 Prozent weniger als 2022, was aber dennoch kein Grund zur Entwarnung sei, betonte der Minister. Hauptursache für den Rückgang seien weniger Verstöße gegen das Versammlungsrecht gewesen, deren Zahl in der Vergangenheit durch unangemeldete Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen deutlich höher lag.

Sorge bereitet Reul auch die weiter zunehmende Bedeutung des Internets bei der Radikalisierung insbesondere junger Menschen. „Das Internet ist zur Spielwiese der Extremisten und Menschenfänger geworden. Nie war es leichter, Ideologien zu verbreiten und damit unzählige Menschen zu erreichen.“ Radikalisierung funktioniere nicht nur in der Moschee, sondern auch über das Mobiltelefon. Damit werde auch eine Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen einfacher.

Entsprechend rückt das Internet immer stärker ins Visier der Verfassungsschützer. So weist der neue Verfassungsschutzbericht erstmals gesondert den Bereich „Tatmittel Internet“ aus. Mit einem Anstieg von 70 Prozent auf 1.859 Fälle gab es 2023 einen deutlichen Anstieg der Taten, die im virtuellen Raum stattfanden. Bei knapp 400 dieser Fälle handelte es sich um Hasskriminalität von rechts.

Auch bei Spionage und Cyberangriffen auf kritische Infrastruktur nutzten Kriminelle das Internet. So hatte es im Herbst einen großen Hackerangriff gegeben, der zahlreiche Verwaltungen in NRW lahmlegte. Bei solchen Bedrohungen sowie illegaler Technologiebeschaffung, Staatsterrorismus und Spionage seien die Nachrichtendienste aus Russland, China und Iran die Hauptakteure, hieß es.