US-Wahl: Wie Rechtspopulisten voneinander lernen

Der USA-Experte Johannes Thimm erkennt in Deutschland zunehmend Ansätze eines politischen Lagerdenkens, wie es in den USA üblich ist. Das spielt populistischen Parteien in die Karten.

Das us-amerikanische Mehrheitswahlrecht konzentriert die Stimmen auf zwei Parteien
Das us-amerikanische Mehrheitswahlrecht konzentriert die Stimmen auf zwei ParteienImago / Bihlmayerfotografie

Parteipersönlichkeit und Identität gehen in den USA immer mehr ineinander über, sagt Johannes Thimm, der USA-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Im Interview mit Anke von Legat spricht er darüber, welchen Einfluss die US-Wahlen auf Deutschland haben und wie es kommt, dass die Menschen Donald Trumps Lügen Glauben schenken.

Wahlkampf in den USA wirkt aus deutscher Sicht oft übertrieben polarisierend. Wie kommt das?
Johannes Thimm: In den USA gilt das Mehrheitswahlrecht. Einen Sitz im Parlament bekommt also immer nur der Kandidat oder die Kandidatin, der oder die die meisten Stimmen auf sich vereint. Alle anderen Stimmen verfallen. Das führt dazu, dass die Wählerinnen und Wähler sich auf die beiden Lager der Republikaner und Demokraten aufteilen. Diese beiden Lager sind viel stärker ideologisch ausgerichtet als noch in den 1980er Jahren: Die Republikaner sind konservativ-rechts, die Demokraten liberal-links – und das gilt nicht nur für das Wahlverhalten, sondern auch für das Alltagsleben. Parteizugehörigkeit und persönliche Identität gehen immer mehr ineinander über.

Gibt es in Deutschland eine ähnliche Tendenz?
Ich sehe zumindest Ansätze für so ein Lagerdenken. Nehmen Sie zum Beispiel die Menschen, die den Grünen vorwerfen, dass sie Fleischessen und Autofahren verbieten wollen. Da wird eine Partei als Bedrohung des eigenen Lebensstils wahrgenommen. Das führt zu der Empörungskultur, die auch bei uns zunimmt, bis hin zu einer ganz realen Gewaltbereitschaft gegenüber dem politischen Gegner. Ganz so weit wie in den USA sind wir allerdings noch nicht. Durch unser Verhältniswahlrecht haben die Menschen mehr Parteien zur Auswahl und bewegen sich stärker zwischen den Parteien. Dazu kommt: Solange die AfD keine absolute Mehrheit erreicht, können die anderen Parteien eine Regierungsbeteiligung verhindern. Trotzdem müssen einem ihre Wahlerfolge zu denken geben.

Hat die Entwicklung in den USA auch Einfluss auf das politische Klima in Deutschland?
Das ist schwer zu beantworten. Jede Gesellschaft hat ihre Besonderheiten, aber der Rechtspopulismus gewinnt ja weltweit an Bedeutung. Dass das Trump-Lager in den USA so mächtig ist, gibt rechten Parteien auch in anderen Ländern Auftrieb. Außerdem lernen die Rechtspopulisten voneinander und verwenden ähnliche Argumentationslinien wie zum Beispiel die zweifelhafte Behauptung, dass Geflüchtete überproportional kriminell sind. In den USA wird auch die in rechtsextremen Kreisen verbreitete Verschwörungserzählung eines „Bevölkerungsaustauschs“ gestreut: Darin wird den Demokraten fälschlicherweise vorgeworfen, Migranten aus Lateinamerika gezielt ins Land zu lassen, um mit deren Stimmen die Wahl zu gewinnen.

Und wie ist es mit den Lügen, die Donald Trump verbreitet?
Das ist hochproblematisch. Trump und seine Leute arbeiten gezielt daran, ein tiefes Misstrauen gegenüber den etablierten Institutionen immer weiter zu verstärken. Die Menschen glauben „denen da oben“, der Regierung und den traditionellen Medien nicht mehr. Sie suchen sich andere Informationenquellen, im Internet oder bei extrem tendenziösen Sendern wie Fox News, und sind außerhalb ihrer Blase nur noch sehr schwer zu erreichen. Diese Strategie übernehmen auch Rechtspopulisten in Deutschland. Andersherum lernen aber auch die US-Republikaner etwa von Victor Orban in Ungarn, wie man die Medien unter Kontrolle bringen und damit die Öffentlichkeit beeinflussen kann.

Evangelikale Christinnen und Christen in den USA gelten als Trump-Unterstützer. Wie kommt das?
Seit George W. Bush hat die christliche Rechte die Politik für sich entdeckt, um Ziele wie das Abtreibungsverbot oder das Verbot gleichgeschlechtlicher Lebensformen durchzusetzen. Andererseits sehen sie ihren Einfluss schwinden, weil auch in den USA die Religiosität abnimmt. Das erzeugt Verlustängste. Trump hat ganz bewusst auf diese organisierten Wählergruppen gesetzt, obwohl er selbst nicht religiös ist. Und die denken strategisch und verzeihen ihm alle Fehler. Man muss aber auch dazusagen, dass nicht alle Kirchen Trump unterstützen. Schwarze Kirchen etwa halten eher zu den Demokraten und haben dort durchaus Bedeutung. In Deutschland haben Kirchen eine ganz andere Rolle. Sie sind stärker institutionalisiert und weniger fragmentiert. Es gibt zwar auch hier christliche Gruppierungen, die der AfD nahestehen, aber diese haben keinen vergleichbaren Einfluss wie die Evangelikalen in den USA.

Johannes Thimm ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika im Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik.