Unterwegs auf Hamburgs Straßen

Die Diakonie-Stiftung „MitMenschlichkeit“ hat ihre Spender zu einem Rundgang zu den sozialen Projekten auf Hamburgs Straßen eingeladen – Marieke Lohse ist mitgelaufen.

Die Gruppe versammelt sich auf dem Hansaplatz in St. Georg
Die Gruppe versammelt sich auf dem Hansaplatz in St. GeorgMarieke Lohse

Hamburg. „Mich interessiert die soziale Problematik in Hamburg besonders, da ich jetzt zweimal im Monat mit diesen Menschen zu tun habe“, sagt Michael Trautmann. Er schenkt Zeit. Er ist pensionierter Arzt, einer im sechsköpfigen Team der Praxis „Andocken“ nahe dem Hamburger Karolinenviertel. Seine Zeit in der Praxis gehört den Patientinnen ohne Papiere und Krankenversicherung. Heute aber widmet er seine Zeit den Menschen, die auf Hamburgs Straßen leben und dort ihr Geld verdienen. Wir treffen ihn im Sperrgebiet in St. Georg.

In Kleingruppen geht es durch die modernen Räume von Haus Nummer 13. Der Blick bleibt an einem Plakat hängen, auf dem es um „Safer Sex“ geht – „safe“ bedeutet in diesem Fall: mit Abstand und Maske. Dann beginnt der Rundgang zu den sozialen Projekten auf Hamburgs Straßen.

Ins Sperrgebiet

Treffpunkt für die 18 Teilnehmenden ist die Terrasse der Fachberatungsstelle für Prostitution im Sperrgebiet St. Georg. Interessierte Spender der Diakonie-Stiftung „MitMenschlichkeit“ haben heute die Möglichkeit, sich die Projekte, die mit ihrer Spende unterstützt werden, aus der Nähe anzuschauen und mit Experten ins Gespräch zu kommen. Eine von ihnen ist Christin Laudon. Sie ist Leiterin der Fachberatungsstelle für Prostitution. Nach einem kurzen Rundgang durch die Einrichtung geht es mit Christin Laudon weiter – nächster Halt: das PK 11.

Vor dem Polizeikommissariat erzählt sie von den rechtlichen Rahmenbedingungen in St. Georg. „Ein besonderer Ort“, sagt sie. Denn hier laufen die Polizisten regelmäßig Streife. Außerdem sind vor Ort sogenannte Milieu-Aufklärerinnen, drei Beamtinnen in Zivil, die zwischen der Polizei und den Frauen auf der Straße vermitteln und ansprechbar sind. Denn Prostitution sei in St. Georg verboten, erkärt Laudon. „Die Frauen hier haben ständig Angst, von der Polizei aufgeschrieben zu werden und Bußgelder zu bekommen.“ Ein Teufelskreis und eines der Themen, für die auch die Sozialarbeiterinnen in St. Georg den Frauen beratend zur Seite stehen. Zwar hätten diese einen anderen Auftrag als die Polizei, es gehe aber um ein Mit- und Nebeneinander im Stadtteil.

Marieke Lohse

Auf dem Weg zum Hansaplatz macht Laudon deutlich, wie vernetzt die Sozialarbeiter im Stadtteil sind. Angebote wie die Aidshilfe sind hier im Sperrgebiet eine zusätzliche Unterstützung. Neben den Angeboten der Einrichtungen findet vor allem Straßensozialarbeit statt. Die Mitarbeiterinnen der Fachberatungsstelle sind bekannt bei den Frauen: „Meistens, wenn wir hier unten stehen, kommen schon die Frauen angelaufen und freuen sich auf uns“, sagt Laudon. Im Gepäck haben sie und ihre Kolleginnen etwas zu essen, im Winter auch Kakao oder Tee und ein offenes Ohr. Außerdem verteilen sie Kondome und Gleitgel.

Warmes Getränk für Obdachlose

Weiter geht es den Steindamm entlang, hoch zum Münzviertel zu einer Baustelle zwischen Hühnerposten und den Bahngleisen am Hauptbahnhof. Hier entsteht ein neues Haus für Einrichtungen der Diakonie: Die Praxis „Andocken“ soll hier beispielsweise neue große Praxisräume bekommen. Für das Gebiet ist Johan Graßhoff Experte. Er ist seit acht Jahren Straßensozialarbeiter und unter den obdachlosen Menschen bekannt. Hier im Münzviertel zeigt Graßhoff den Teilnehmenden wichtige Anlaufstellen für obdachlose Menschen. Die Tageseinrichtung „herz as“ beispielsweise biete eine Postadresse oder ein warmes Getränk, so Graßhoff.


Unterwegs mit der Stiftung MitMenschlichkeit“
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Um den Hauptbahnhof herum zeigt der Straßensozialarbeiter die öffentlichen Plätze, an denen sich obdachlose Menschen aufhalten. Wichtiges Angebot auf der Straße sei vor allem der Mitternachtsbus. Der fahre jeden Tag zu den obdachlosen Menschen. Ehrenamtliche verteilten Schlafsäcke, warme Klamotten oder ein heißes Getränk. Zusätzlich sei seit Beginn der kalten Jahreszeit der Kältebus wieder unterwegs, berichtet Graßhoff. „Mein Büro ist die Straße“, sagt er. Zu 80 Prozent sei er draußen unterwegs. Feste Arbeitszeiten gebe es bei ihm und seiner Kollegin nicht. Sie seien zu jeder Zeit für die Menschen da.

Aus der Ferne zu erkennen

Unterstützung rund um die Uhr für alle, die Hilfe suchen, gibt es auch beim letzten Stopp des Rundgangs. Vor der Hamburger Kunsthalle ist der blaue Container der Bahnhofsmission bereits aus der Ferne zu erkennen. Die Mitarbeitenden, zum Großteil Ehrenamtliche, sind eine erste Anlaufstelle für Gestrandete und Hilfesuchende rund um den Hauptbahnhof. Von hier aus vermitteln sie weiter an die sozialen Einrichtungen, die auf dem Rundgang vorgestellt wurden. Diakon Niclas Rabe von der Diakonie-Stiftung „MitMenschlichkeit“ macht am Ende deutlich: „Ohne das Engagement der Ehren- und Hauptamtlichen sowie die vielen Spender wären solche Angebote nicht möglich.“