Unter Nackten im Museum Schloss Herrenhausen

Passend zum Sommerbeginn zeigt die Ausstellung „Unter Nackten. Freikörperkultur 1890-1970“ im Schloss Herrenhausen die Entwicklung der FKK-Bewegung.

Splitterfasernackt beim Sport. Eine Abbildung in der Ausstellung „Unter Nackten“.
Splitterfasernackt beim Sport. Eine Abbildung in der Ausstellung „Unter Nackten“.Historisches Museum Hannover

Sie tanzen, machen gymnastische Übungen, werfen sich Medizinbälle zu, vergnügen sich beim Baden, unter freiem Himmel – und alles splitternackt. Solche Motive sind in der Ausstellung „Unter Nackten. Freikörperkultur 1890-1970“ im Museum Schloss Herrenhausen in Hannover zu sehen. Eine Ausstellung, die auch Bücher, Zeitschriften, Filmausschnitte und Texttafeln zeigt.

Deutlich wird: Die in vielen Städten um die Jahrhundertwende gegründeten Freikörperkulturvereine sind Teil einer Bewegung „Zurück zur Natur“ sowie Reaktion auf Industrialisierung und Verstädterung. Dabei bezieht man sich bei den Vorbildern auch auf biblische Motive. „Gott hat den Menschen Adam und sein Weib Eva vollkommen gemacht. Vollkommener als wir es heute sind. Ihnen war alles Schlechte fremd“, heißt es im Aufsatz „Die Freikörperkultur im Lichte der Bibel“ von Hubert Rieck aus dem Jahr 1928, der in der Ausstellung zitiert wird.

Durchtrainierte Körper gegen Bauch und Falten

Durchtrainierte Körper sportlicher junger Menschen – so inszeniert sich die FKK-Bewegung in ihren Zeitschriften, die in Vitrinen ausliegen. Dass die Mehrheit der organisierten Nackten – in Westdeutschland zählen die FKK-Vereine heute 34.000 Mitglieder, vor 50 Jahren waren es drei Mal so viele – diesem Idealbild nicht entspricht, wird nicht verschwiegen: Die Fotografin Julia Gaes hat ältere Nudisten auf der Couch, beim Bowling oder im Gewächshaus abgelichtet, die sich nicht schämen, ihren Bauch und ihre Falten zu zeigen. Auch nicht verschwiegen wird die Begeisterung der NS-Propaganda für den nackten starken, schönen und arischen Körper.

Was ist eigentlich nackt? Eine nur scheinbar simple Frage. Die berühmte Tänzerin Isadora Duncan (1877-1927) galt einst als nackt und anstößig, nur weil sie barfuß tanzte. 1951 stieß der Film „Die Sünderin“ auf großes Interesse und gleichzeitig vor allem bei der evangelischen und katholischen Kirche auf Empörung, weil die Hauptdarstellerin Hildegard Knef eine Prostituierte verkörperte und ihr blanker Busen ganz kurz zu sehen war.

Die Kirchen und die FKK-Bewegung

„Die katholische Kirche war der FKK-Bewegung sehr ablehnend gegenüber eingestellt, hat sie als unmoralisch verurteilt und sie mit Sexualität in Verbindung gebracht“, sagt Ausstellungskuratorin Cornelia Regin, Leiterin des Stadtarchivs Hannover. In eher protestantisch geprägten Städten habe es deutlich mehr FKK-Vereine gegeben – Anfang der 30er-Jahre trafen sich Mitglieder auf ihren Vereinsgeländen unter dem Motto „Wochenend und Sonnenschein“ unter anderem in Hannover, Braunschweig, Hann. Münden, Lüneburg, Bremen, Hamburg, Lübeck, Ratzeburg und Rostock.

In Glüsingen in der Nähe von Lüneburg befand sich seit 1927 ein deutschlandweit einmaliges Lichtschulheim des Reformpädagogen Walter Fränzel (1889-1968). Noch heute gibt es in Glüsingen das Lichtheideheim für einen FKK- und Familienurlaub.

Zu den herausragenden Exponaten gehört eine nachgebaute Lufthütte, in der sich einst Gäste im Naturheilsanatorium Jungborn im Harz erholten. Der Schriftsteller Franz Kafka war im Juli 1912 in so einer offenen Hütte untergebracht – durch Licht, Luft und Sonne und das Abstreifen der einengenden Kleidung soll der geschwächte Körper der Stadtmenschen gesund werden, denen die Schulmedizin oft nicht helfen konnte. Bei den Nackten galt Kafka schnell als „der Mann mit den Schwimmhosen“. An seinen Aufenthalt in Jungborn erinnert er sich so: „Hie und da bekomme ich leichte, oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser … Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht.“

Eine interessante Ausstellung, die Besucher mit dem Schlager „Baden mit und ohne“ von Wencke Myhre 50 Jahre zurückversetzt.

Die Ausstellung läuft bis 1. September, Mo-So, 11-18 Uhr.