Antonio Guterres – der Mahner der UN feiert 75. Geburtstag

In seiner Amtszeit begann Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Hamas löste in Israel den Gaza-Krieg aus. Die Welt durchlaufe einen “Stresstest”, sagte Antonio Guterres schon früh.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres wird 75 Jahre alt
UN-Generalsekretär Antonio Guterres wird 75 Jahre altImago / Xinhua

“Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, auf Frieden hinzuarbeiten”, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kürzlich vor dem Weltsicherheitsrat. “Weder die Region noch die Welt können sich mehr Krieg leisten.” Der UNO-Generalsekretär bezog sich hier auf den Nahen Osten. Doch diese Sätze könnten beispielhafter nicht sein; ist sein Job doch kein geringerer, als die Staatengemeinschaft zusammenzuhalten.

Am Dienstag, 30. April, wird der Portugiese Antonio Manuel de Oliveira Guterres 75 Jahre alt. Bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit Ende 2026 hat er in einem Alter, in dem der Normalbürger längst in Rente gegangen ist, noch alle Hände voll zu tun.

Wo Guterres Akzente gesetzt hat

Sein Büro im 38. Stock des UNO-Hochhauses am New Yorker East River hat Guterres bei seinem Amtsantritt im Januar 2017 bezogen, als er zum ranghöchsten Diplomaten der Welt gewählt wurde. Akzente hat er bisher besonders auf den eng verbundenen Feldern Migration und Klimawandel gesetzt, indem er etwa mehrere Pakte zu Rechten von Flüchtlingen durchsetzte, die von der Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten angenommen wurden – und das in Zeiten von fast überall erstarkendem Nationalismus.

Als Premierminister Portugals trifft Antoniot Guterres im März 1998 den schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson
Als Premierminister Portugals trifft Antoniot Guterres im März 1998 den schwedischen Ministerpräsidenten Göran PerssonImago / TT

Wer einen Blick auf Guterres’ politische Karriere wirft, könnte meinen, sämtliche Ämter seien die Vorbereitung für sein jetziges und eventuell letztes Amt gewesen. Eingestiegen ist der gelernte Elektroingenieur in die Politik 1974, mit Mitte Zwanzig, als Ministerialassistent des späteren sozialistischen Premierministers Mario Soares. Zwei Jahre später wurde er Abgeordneter im portugiesischen Parlament und blieb dies mit kurzer Unterbrechung für fast 20 Jahre.

Schon mit Anfang dreißig verließ Guterres erstmals die politische Bühne Portugals. Als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates war er dort mit den Themen Demografie, Migration und Flüchtlinge betraut. 1992 wurde er Generalsekretär der Sozialistischen Partei Portugals, 1995 dann Ministerpräsident. Beides blieb er bis 2002. Von 1999 bis 2005 war er Präsident der Sozialistischen Internationale.

Guterres ist gläubiger Katholik

In seine erste Amtszeit als Ministerpräsident fiel der Verlust seiner ersten Ehefrau Luisa Melo, Kinderpsychiaterin und Mutter seiner zwei Kinder. 1998 starb sie nach 26 Jahren Ehe an einer Krankheit. Nur drei Jahre später heiratete Guterres erneut: die Juristin Catarina Vaz Pinto, ehemalige Kulturbeauftragte der Stadt Lissabon.

In seinem langjährigen Engagement in der Sozialistischen Partei mag der gläubige Katholik dem Säkularismus der Partei nicht entsprochen haben. Auf Kirchenlinie zeigte er sich etwa, als er sich als Regierungschef bei einem Referendum gegen die Entkriminalisierung von Abtreibung in Portugal aussprach. Laut dem Franziskaner Vitor Melicias ist Guterres “im Stil des Zweiten Vatikanischen Konzils erzogen – offen, pluralistisch und ökumenisch, mit Respekt für die Trennung zwischen Religion und Politik”.

In Portugal erwarb er sich einen Ruf als Weltverbesserer, der eine menschliche Politik verfolgt und einen starken Sinn für den öffentlichen Dienst hat. So soll er einen Tag nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident Schülern eines benachteiligten Viertels Nachhilfe in Mathematik gegeben haben.

Zielstrebiger Reformer

Zugleich gilt Guterres als zielstrebiger Reformer. Als UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR, 2005-2015) leitete er nicht nur eine der weltweit führenden humanitären Organisationen mit fast 10.000 Mitarbeitenden in 125 Ländern. Er unterzog sie auch einer umfassenden Strukturreform. Der Personalstand im Genfer Hauptquartier sank um mehr als ein Fünftel – während sich das Volumen der Tätigkeiten gleichzeitig verdreifachte.

Seine Art des Umgangs mit den Geflüchteten selbst zeugt von Respekt und Anteilnahme. Vielfach reiste er um die Welt und besuchte sie in ihren Zelten; nicht in schickem Anzug, sondern in schlichter Kleidung, ohne Pressebegleitung. Immer wieder betont er, es reiche nicht aus, Flüchtlingsströme zu stoppen; er wolle wirklich ihre Ursachen bekämpfen. Die weltweite Zahl der Flüchtlinge liegt inzwischen bei mehr als 108 Millionen.

Kritik am Israel-Kurs

Nach dem 7. Oktober zog er mit seinen Äußerungen zum Gaza-Krieg Kritik vor allem seitens Israels und seiner Verbündeten auf sich. Nur wenige Tage nach dem Massaker der Hamas sagte Guterres, dies sei nicht im luftleeren Raum geschehen, sondern habe eine Vorgeschichte gehabt. Ihm wurde deshalb vorgeworfen, den Terror der Hamas zu legitimieren. Mit Blick auf Israels Militäroffensive in Gaza behauptete Guterres, es habe in seiner gesamten Zeit als Generalsekretär keinen Konflikt mit einer “solchen Tötung von Zivilisten” gegeben.

Stimmen aus Israel und Deutschland nannten das unausgewogen, warfen ihm gar Israel-Hass vor. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, wies darauf hin, dass 500.000 Tote in Syrien oder hohe zivile Opferzahlen in anderen Konflikten Guterres nicht zu solchen Aussagen gebracht hätten.

Eindeutig prangert Guterres hingegen Russland an. So sprach er kurz vor dem ersten Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine in einer Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York von einem “Angriff auf unser kollektives Gewissen”, der nicht nur die Ukraine betreffe, sondern die ganze Welt.

Die Vereinten Nationen haben seit Jahrzehnten den Ruf, ein wenig handlungsfähiger Apparat zu sein. Ihr Generalsekretariat will Guterres reformieren. Auch die Umsetzung der Entwicklungsziele für 2030 ist Teil seiner Aufgaben. Als UNO-Generalsekretär wird Antonio Guterres die Arbeit jedenfalls nicht ausgehen.