„Überholte Klischees“ bei Scholl-Latour

Der vor 100 Jahren geborene Journalist und Buchautor Peter Scholl-Latour (1924-2014) hat jahrzehntelang das Bild ferner Länder in Deutschland geprägt. Im Werk Scholl-Latours finden sich jedoch viele rassistisch-kolonialistische Vorurteile, kritisiert die Vorsitzende des Auslandskorrespondenten-Netzwerks „Weltreporter.net“, Bettina Rühl. Die Journalistin, die aus Kenia berichtet, wirft Scholl-Latour zudem grobe Vereinfachungen und Mittel des Populismus vor.

epd: Dem Journalisten und Buchautoren Scholl-Latour wurde unter anderem vorgeworfen, rassistisch-kolonialistische Vorurteile zu bedienen und ein problematisches Bild vom Islam zu vermitteln. Wie beurteilen Sie die Vorwürfe?

Rühl: Ich halte diese Vorwürfe für berechtigt, unter anderem in seinem Buch „Afrikanische Totenklage“ von 2002 finden sich davon jede Menge. Einige Beispiele: Zu den Eigenschaften der Tutsi gehören ihm zufolge „Arroganz“ und „misstrauische, oft irreführende Verschwiegenheit“. Afrika war für ihn eine „prähistorische Unterwelt“, mit seinen „urzeitlichen Stammesfehden“ und ungezügelten Raubinstinkten. Sofern Frauen von ihm erwähnt werden, geht es um ihr Äußeres, das er meist enttäuschend findet. Auch dem Islam begegnet er voller Vorurteile.

epd: Wie sehen Sie die späteren Jahre von Scholl-Latour, als er für die neurechte „Junge Freiheit“ schrieb und auch die Medien scharf kritisierte?

Rühl: Seine politischen Überzeugungen und Äußerungen liegen in einer Linie mit seinen früheren Einschätzungen: Er glaubte immer schon zweifelsfrei zu wissen, was schwarz und weiß, gut und böse ist. Grobe Vereinfachungen gehören in den Werkzeugkasten der Populisten, heute würde man ihn vermutlich als einen solchen bezeichnen. Manches, was er damals schon gegen „die Medien“ oder gegen die deutsche Regierung vorbrachte, ist heute leider wieder zu hören. Angesichts einer immer komplexeren Welt verlangt es offensichtlich leider immer mehr Menschen nach gröbsten Vereinfachungen.

epd: Wie sollte heute mit den Büchern und Reportagen Scholl-Latours umgegangen werden?

Rühl: Sie liefern keine Analysen oder Erkenntnisse, die helfen könnten, die Vorgänge in der Welt zu verstehen. Zudem sind sie fehlerhaft. Die von Scholl-Latour regelmäßig wiederholten Klischees sollten längst als solche erkannt und überholt sein. Aber wir wissen alle, dass derlei Vorurteile immer noch geteilt werden und seine Bücher weiterhin ihre Leserinnen und Leser finden. Wer möchte, kann hierzu Einordnendes lesen, wie das von Verena Klemm und Karin Hörner herausgegebene Buch „Das Schwert des “Experten“. Aber Scholl-Latours Bücher verkaufen sich leider vermutlich immer noch viel besser, als derlei kluge Sammelbände.