Gandhi und der Erfolg von gewaltlosem Widerstand

Vor 75 Jahren starb Mahatma Gandhi. Mit seinem friedlichen Protest gegen die britische Kolonialherren inspiriert er Protestgruppen – bis heute.

Mahatma Gandhi im April 1931
Mahatma Gandhi im April 1931Imago / United Archives International

Oft scheint es, als komme nur der zum Ziel, der mit Waffen und Gewalt für sein Anliegen kämpft. Dabei haben Menschen immer wieder bewiesen, dass es auch anders geht. „Wir werden auf jeden Fall friedlich bleiben, weil wir wissen, dass nur friedlicher Widerstand funktionieren kann.“ Das sagte Lina Johnsen, Sprecherin der Klimaaktivistengruppe Letzte Generation, im Dezember in einem Radiointerview. Und weiter: „Bei allen Protestformen, die neuartig sind, gibt es großen Gegenwind am Anfang. So funktioniert Protest. Leider.“ In der jüngeren Geschichte gibt es mehrere Beispiele, dass es auch anders gehen kann.

Der wohl bekannteste Protagonist ist Mohandas Karamchand „Mahatma“ Gandhi, der am 30. Januar vor 75 Jahren starb. Unter der Führung des späteren Friedensnobelpreisträgers gelang es den Indern 1947, sich durch Massenproteste von der britischen Kolonialherrschaft zu befreien – mit völlig gewaltfreien Mitteln.

Gandhi hat es vorgemacht

Waffengebrauch war für Gandhi ein „Symbol der Hilflosigkeit“. Seine gewaltfreie Haltung begründete der Hindu unter anderem mit dem Friedensgebot in der christlichen Bergpredigt. Gewaltfreiheit, im indischen Verständnis war das bislang etwas für Yogis, nicht für Politiker. Seine Landsleute, die sich zunächst eher eine gewaltsame Revolution gewünscht hatten, musste Gandhi erst überzeugen. Er verstand sich als Volkserzieher und unterstrich seine Entschlossenheit zum gewaltlosen Widerstand gegen die Briten mit Fasten, um moralischen Druck auszuüben.

Zwei Aktionsformen begründeten den Erfolg der Bewegung: Mit Generalstreiks und Boykotten verweigerten die 400 Millionen Inder den rund 300.000 Briten legal die Zusammenarbeit, indem sie keine britischen Waren kauften oder Titel und Ehrungen zurückgaben. Auch massenweise öffentlich praktizierter Gesetzesbruch wie beim Salzmarsch 1930 zeigte Wirkung. Selbst Masseninhaftierungen von 300.000 Indern konnten die friedliche Revolution nicht stoppen. 1947 wurde Indien unabhängig.

Gandhi beim Salzmarsch, Indien 1939 (Archivfoto)
Gandhi beim Salzmarsch, Indien 1939 (Archivfoto)Imago / United Archives International

Verschiedene Faktoren machten die Bewegung so erfolgreich. Gandhi war eine charismatische und spirituelle Leitfigur. Sein Vorbild mobilisierte Millionen Inder in allen gesellschaftlichen Schichten. Sein gewaltloser Kampf inspirierte aber auch Menschen in anderen Teilen der Welt. So ermutigte er die US-Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King für den Kampf um die Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen. Auch der südafrikanische Freiheitskämpfer Nelson Mandela steht in der Linie des gewaltlosen Protests. Die polnische Solidarnosc-Bewegung für mehr Demokratie und Freiheit mobilisierte gewaltlos die Massen und erwirkte 1989 eine Loslösung aus dem Ostblock. Im selben Jahr sorgten in Ostdeutschland Hunderttausende friedlicher Demonstranten für den historischen Fall der Berliner Mauer und eine friedliche Wende.

Friedliche Proteste

Ziviler Protest wirkt zudem auch in kleineren Dimensionen. So sorgten die Benediktinerinnen im niedersächsischen Dinklage 1997 mit einem Sit-in für großes Aufsehen. Die Ordensfrauen hinderten mit einer stundenlangen Sitzblockade Polizeibeamte an der Abschiebung einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie aus dem Kirchenasyl.

Viel beachtet wurde auch der Sitzstreik von Klimaaktivistin Greta Thunberg: Im Hitzesommer 2018 startete sie ihren Protest für mehr Klimaschutz. Junge Menschen in der ganzen Welt taten es ihr in der Folge gleich. Aus dem freitäglichen Schulstreik entstand die globale Fridays for Future-Bewegung. Wenig später ließen sich junge Umweltaktivisten der Bewegung in Techniken des gewaltfreien Widerstandes ausbilden.

Jesuitenpater unterstützt Klimaaktivisten

Wo aber endet heute friedlicher Protest? Ist es legitim, wenn sich Aktivisten zur Hauptverkehrszeit auf Straßen festkleben oder Landebahnen auf Flughäfen blockieren, um auf die Emissionsbelastung aufmerksam zu machen? Der Jesuitenpater Jörg Alt meint: ja. Er unterstützt ausdrücklich Protestaktionen der Letzten Generation. Der Ordensmann nahm bereits mehrmals an Straßenblockaden teil und ist nach eigenen Worten auch bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen. 2019 war Alt im Umfeld der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ aktiv. Deren etablierte Protestformen reichten nicht mehr aus, erklärte er jüngst.