Trauerweg für die Ukraine

„Kein Beten, kein Singen, nur schweigendes Gehen“. Sabine Hoffmann schloss sich dem Ukraine-Trauergang durch Berlin an.

Der erste Trauerweg wurde am 24. Februar gegangen
Der erste Trauerweg wurde am 24. Februar gegangenRoyko Fleischer

Freitagabend kurz vor 18 Uhr. Berlin-Mitte Albrechtstraße 26. Etwa 30 dunkel gekleidete Menschen versammeln sich vor der Botschaft der Ukraine. Es der 24. März. Vor genau 13 Monaten überfiel Russland die Ukraine. Seitdem ist Krieg. Es wird getötet, zerstört und verschleppt. Die in Trauer gekleidete Gruppe vor der ukrainischen Botschaft sind vor allem Mitglieder des ehemaligen Pankower Friedenskreises um Pfarrerin Ruth Misselwitz. Der Friedenskreis entstand am 24. Oktober 1981. Anlass war die atomare Hochrüstung in Europa.

Auch jetzt läuft die Produktion von Rüstungsmaterial auf Hochtouren. Die Gruppe verurteilt den Überfall Russlands. Der Trauergang beginnt vor der Botschaft der Ukraine, geht weiter zur Botschaft Russlands und endet vor der Botschaft der USA. Vor jedem der Haltepunkte wird an die Opfer des Krieges erinnert. An einem langen schwarzen Band verbinden sich die schweigend laufenden Menschen.

Schweigend zwischen Touristen und Straßenmusik

Berlin-Mitte macht sich fein zum Ausgehen am Freitagabend, einige hasten mit Einkaufstaschen in Richtung Wohnung. Touristen flanieren auf der Friedrichstraße. Straßenmusiker versuchen ihr Glück mit Reggae-Musik. Vor Dussmann singt eine Frau traurige ­Lieder. ­Dazwischen gehen 30 Menschen an einem schwarzen Band entlang in Richtung „Unter den Linden“. Schweigend. Einige tragen Plakate mit der Aufschrift „Wir trauern um die Opfer des Krieges“. Mehr nicht. Kein Beten, kein Singen, nur schweigendes Gehen. Kritiker werfen der Gruppe Naivität und das Fehlen einer klaren Äußerung zur Schuld Russlands vor. Der Trauergang mag naiv erscheinen. Doch er ist eine Möglichkeit, den Krieg im friedlichen Berlin nahbar zu machen. Den Teilnehmern ist klar, wer Hauptleidtragende des Krieges sind und wer Verursacher. Durch den schweigenden Trauergang wird das Leid in Berlin erkennbar.

Ich fühle mich das erste Mal in einer Trauer mächtig. Inmitten der Stadt Berlin mit ihrem Großstadtlärm ist es mir im schweigenden Gehen klarer denn je geworden, was seit 13 Monaten passiert. Hier dreht sich die Welt in Partybahnen, man lacht und macht Pläne für die Nacht. 1200 Kilometer östlich wird bombardiert, geschossen, gemordet und gestorben. Es gibt weder Strom noch Wasser. In der Ukraine geht es ums Überleben.

Hier geht es nicht um Politik

Als wir vor der Russischen Botschaft an der Mahnwache der Ukrainer vorbeigehen, weine ich. Hier geht es nicht um Politik oder Schuldige. Hier geht es um Trauer. Was muss es diese ukrainischen Menschen für Kraft kosten, dem Verursacher ihres Leids seit 387 Tagen schweigend gegenüberzustehen.

Die Gruppe trifft sich an jedem 24. eines Monats um 18 Uhr an der ukrainischen Botschaft.

Kontakt Gruppe: t.jeutner@gemeinde-versoehnung.de