Taliban seit drei Jahren an der Macht – Frauen und Mädchen leiden
Afghanische Mädchen und Frauen dürfen weder ins Restaurant noch an die Universität gehen oder ihr Gesicht zeigen. Umso wichtiger sei es, besonders gefährdete Personen weiter aufzunehmen, fordern Hilfsorganisationen.
Bilder von verzweifelten Massen am Flughafen Kabul und Menschen, die sich in ihrer Hoffnungslosigkeit an startende Militärmaschinen klammern – sie gingen vor drei Jahren um die Welt. Der abrupte Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan machte den Weg frei für die erneute Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021. Mit den radikalislamischen Gotteskämpfern kehrten auch die Ängste vor Gewalt und Fanatismus, Not und Unterdrückung zurück. Inzwischen steht längst fest: Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Besonders Frauen und Mädchen leiden mehr denn je unter der brutalen Religionsherrschaft, Millionen Afghanen unter Armut.
Politiker und Organisationen verurteilten dies am Donnerstag scharf. So erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): “Seit drei Jahren zerstört das menschenverachtende Taliban-Regime jeden Tag die Hoffnung von Millionen afghanischer Frauen und Mädchen auf ein besseres und freieres Leben.” In Afghanistan erleide der weibliche Teil der Bevölkerung die massivsten systematischen Menschenrechtsverletzungen weltweit. Frauen dürften weder arbeiten, allein ins Krankenhaus oder Restaurant gehen, singen, ihr Gesicht auf der Straße zeigen noch als Teenager die Schule besuchen – “ein Leben in einem häuslichen Gefängnis”.
Laut Baerbock konnten bisher 34.000 Afghaninnen und Afghanen im Rahmen von Aufnahmeprogrammen ein neues Leben in Deutschland beginnen. Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen hatten die Bundesregierung zuvor aufgefordert, auch weiterhin Menschen aufzunehmen. Theresa Bergmann, Asien-Expertin bei Amnesty International, sagte am Donnerstag, ein Ende der Aufnahmen wäre beschämend und ein Bruch des Koalitionsvertrags.
Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa erklärte am Mittwoch, dass das entsprechende Bundesaufnahmeprogramm nicht kaputtgespart werden dürfe. Wenn 2025 Mittel für die humanitäre Aufnahme um mehr als 60 Millionen Euro gekürzt würden, sei das faktisch das Ende des Programms. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mahnte zu weiterer Hilfsbereitschaft. “Ortskräfte, Menschenrechtler, Verfolgte müssen weiterhin in Deutschland aufgenommen werden”, so ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.
Ziel des Programms der Bundesregierung ist, besonders gefährdete Menschen und deren Familienangehörige aus Afghanistan aufzunehmen. Demnach sollten monatlich bis zu 1.000 Aufnahmezusagen erteilt werden. Zugleich steht Baerbock derzeit wegen einer Visaaffäre unter Druck, bei der die zuständigen Stellen Afghanen ohne gültiges Verfahren und teils mit gefälschten Papieren nach Deutschland gelassen haben sollen.
Inwieweit speziell gefährdete Frauen und Mädchen von den Aufnahmeprogrammen profitieren, darüber machte Baerbock am Donnerstag keine Angaben. Die große Mehrheit der Einreisenden dürfte wohl männlich sein. Über das Ausmaß an Frauenverachtung im Taliban-Reich legte unterdessen die UN-Bildungsorganisation Unesco aktuelle Zahlen vor. Demnach haben die Islamisten inzwischen 1,4 Millionen Mädchen von der höheren Bildung ausgeschlossen, weil ihnen der Schulbesuch nur bis zum Alter von zwölf Jahren erlaubt ist.
Zusammen mit den Mädchen, die schon vor Einführung dieses Banns keine Bildung erhielten, beträgt die Zahl sogar 2,5 Millionen. “Afghanistan ist heute das einzige Land weltweit, das Mädchen über zwölf und Frauen die Ausbildung verbietet”, sagte Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay in Paris. Die Staatengemeinschaft rief sie auf, den Druck auf die Taliban zu erhöhen.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), erinnerte auch an die lange Liste weiterer Diskriminierungen. Frauen hätten keine politische Teilhabe, würden systematisch aus dem öffentlichen Raum gedrängt und seien dabei schutzlos sexualisierter Gewalt und Körperstrafen ausgesetzt. Berufsverbote für die Arbeit in NGOs oder als Journalistinnen gingen mit Verfolgung aller Kritik einher. “Neben den massiven Menschenrechtsverletzungen bleibt auch die humanitäre Lage prekär”, so Amtsberg. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sei auf humanitäre Hilfe angewiesen, rund 30 Prozent litten an Hunger.