Studie: Freie Profimusiker werden zu schlecht bezahlt

Ein Großteil der Musikschaffenden in Deutschland arbeitet selbstständig und braucht Nebenjobs, um finanziell über die Runden zu kommen. Der Deutsche Musikrat fordert Konsequenzen.

Freiberufliche Musikerinnen und Musiker verdienen weniger als ihre festangestellten Kollegen (Archivbild)
Freiberufliche Musikerinnen und Musiker verdienen weniger als ihre festangestellten Kollegen (Archivbild)Imago / VWPics

Für Ella Rohwer stand lange Zeit fest: „Ich werde einen Orchesterjob haben.“ Doch dann seien ihr schon während des Studiums an der Hochschule für Musik und Tanz Köln verschiedene Projekte „vor die Füße gefallen“, sagt die Cellistin. Es kamen Anfragen von DJs und Popmusikern wie etwa Bosse, mit dem sie auf Tour ging. Außerdem entdeckte sie ihr Interesse an Neuer Musik. Und so verabschiedete sich Ella Rohwer schließlich bewusst von dem Plan, Orchestermusikerin zu werden.

Bereut hat die Musikerin diese Entscheidung nicht. Dennoch machte auch sie wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen Erfahrungen mit Lohndumping und der mangelnden Anerkennung der Arbeit freiberuflicher Musikerinnen und Musiker. Diese seien oft zu schlecht bezahlt, kritisiert der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie des Musikinformationszentrums verdienen Freiberufler durchschnittlich 480 Euro weniger im Monat als Festangestellte.

Große Einkommensunterschiede bei Musikern

„Es ist Zeit für Veränderungen“, fordert Höppner. Fest angestellte Musikerinnen und Musiker verdienen laut der Studie durchschnittlich 2.940 Euro netto im Monat, während es bei ihren freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen nur 2.460 Euro sind. Bei jedem fünften Musikschaffenden liege das Monatseinkommen sogar unter 1.500 Euro.

Wegen des geringen Verdienstes drohe vielen Altersarmut, befürchtet Lisa Mangold von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Auch im Musikbereich sind Frauen davon häufiger betroffen. Denn sie verdienen laut der Studie durchschnittlich 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Musikschaffende haben meist Zusatzjob

Ohnehin können aber laut Studie nur die wenigsten Musikerinnen und Musiker ausschließlich von ihrer künstlerischen Tätigkeit leben. 70 Prozent haben Zusatzjobs, etwa im musikpädagogischen Bereich. Bedenklich sei aber, dass fast ein Drittel der Befragten Nebentätigkeiten ausübten, die nichts mit Musik zu tun hätten, sagt Höppner. Die „hybriden Beschäftigungsverhältnisse“ gingen oftmals mit prekärer Bezahlung einher. „Teilzeit ist gerade im künstlerischen Bereich meistens ein Ausbeutungssystem.“

Freie Musikschaffende kommen nicht ohne Nebenjobs über die Runden
Freie Musikschaffende kommen nicht ohne Nebenjobs über die RundenImago / Panthermedia

„Die Schere zwischen fest Angestellten und Freiberuflichen muss geschlossen werden“, fordert Höppner. Ein erster Schritt in diese Richtung seien Mindesthonorare für Kulturschaffende bei öffentlich geförderten Projekten, wie sie der nordrhein-westfälische Landtag 2021 im Kulturgesetzbuch beschlossen hat. Derzeit erarbeiten Land und Kulturverbände entsprechende Honorarkataloge.

Kulturarbeit ist Arbeit

Er hoffe darauf, dass auch andere Bundesländer dieses Modell übernähmen, sagt Höppner. Höhere Honorare auch bei privaten Veranstaltern ließen sich aber nur durch die gesellschaftliche Anerkennung für die Leistung von Kulturschaffenden durchsetzen. Es müsse deutlich werden, dass auch „Kulturarbeit Arbeit ist“.

Auch Ella Rohwer erlebt, dass die gesellschaftliche Relevanz ihres Berufszweiges immer wieder in Zweifel gezogen wird. „Das, was die freie Szene an Vielfalt beiträgt, ist ein großer Mehrwert“, sagt sie. Laut Statistischem Bundesamt sind mehr als die Hälfte der rund 71.000 Profi-Musikerinnen und Musiker in Deutschland Freiberufler. Sie sind nicht nur als Solisten oder mit eigenen Bands und Ensembles unterwegs. Unersetzlich sind sie etwa auch als Studiomusiker, Vertretungen und Aushilfen in Orchestern oder als Mitwirkende in Musikproduktionen aller Genres.

Unternehmerisches Denken

Letztlich könnten auch die freiberuflichen Musikerinnen und Musiker selbst dafür eintreten, dass ihre Arbeit entsprechend anerkannt werde, sagt Rohwer. „Kulturschaffen und unternehmerisches Denken sind kein Gegensatz.“ Leider sei dies an vielen Musikhochschulen bislang kein Thema, obwohl ein Großteil der Studierenden in die Freiberuflichkeit gehe.

Um ihre Marktmacht zu nutzen, müssten sich Musikerinnen und Musiker organisieren und zusammenschließen, sagt Rohwer. Unter dem Eindruck der Pandemie gründete die Cellistin 2021 zusammen mit Kolleginnen und Kollegen den Verband freier Musikschaffender „Pro Musik“. „Wir haben gerade während der Pandemie gemerkt, dass wir als Einzelpersonen wenig ausrichten können und wollen deshalb ein Sprachrohr für die Freischaffenden sein.“