Steinmeier und Schuster beklagen alltäglichen Antisemitismus
Fünf Jahre nach dem rechtsterroristischen Attentat auf die Synagoge in Halle hat die Stadt am Mittwoch an die beiden Toten und die weiteren Opfer der Tat erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erinnerten bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Abend in der Ulrichskirche daran, dass auch heute Juden in Deutschland angefeindet und beleidigt würden und vor Angriffen geschützt werden müssten.
Steinmeier sagte, der Anschlag vom 9. Oktober 2019 habe das Leben der Beteiligten für immer verändert: „Wer den Terror von Halle überlebt hat, trägt schwer an der Last dieses furchtbaren Tages. Für Sie alle gibt es unwiderruflich ein Davor und ein Danach.“
Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel vor einem Jahr scheine sich geradezu ein Ventil für einen ungezügelten Judenhass geöffnet zu haben, sagte Steinmeier: „Zu oft wird das Internet zu einer Hasstankstelle, an der sich Menschen – oft sind es junge Männer – aufladen.“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einem Misstrauen gegenüber dem Staat und seinen Sicherheitsinstitutionen. „Das Gefühl, nicht geschützt zu sein, kennen viele Jüdinnen und Juden seit dem Terror des 7. Oktober 2023 am eigenen Leibe“, betonte er in seiner Rede. Politik und Gesellschaft stünden in der Pflicht, dieses Vertrauen Stück für Stück wieder zurückzugewinnen.
Am 9. Oktober 2019, dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte der Rechtsterrorist Stephan B. einen Anschlag auf die Synagoge verübt und dabei eine 40-jährige Frau vor dem Gotteshaus und einen 20 Jahre alten Mann an einem benachbarten Imbiss getötet. Zwei weitere Menschen verletzte er schwer. Sein Versuch, in die Synagoge einzudringen, scheiterte an der Tür.
Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte B. im Dezember 2020 zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Im Januar dieses Jahres wurde der Täter erneut verurteilt, nachdem er bei einem Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt Burg bei Magdeburg zwei Geiseln genommen hatte.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) rief zu Hoffnung und Mitmenschlichkeit auf. „Wir müssen im Sinne nachwachsender Generationen dafür sorgen, dass Hass überwunden wird“, sagte er. Und weiter: „Wir müssen uns gemeinsam in den Armen halten, damit Menschlichkeit unser gemeinsames Prinzip bleibt.“ Den 9. Oktober 2019 bezeichnete er als die tiefste Zäsur seit der Wiedergründung Sachsen-Anhalts im Jahr 1990.
Halles Bürgermeister Egbert Geier (SPD) rief dazu auf, wachsam zu sein und Zivilcourage zu zeigen. „Wir müssen uns aktiv für eine Gesellschaft einsetzen, in der alle Menschen sicher und
frei leben können – unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung“, appellierte er in einer Ansprache: „Jeder einzelne von uns trägt Verantwortung dafür, dass sich solch eine Tat nicht wiederholt.“
Während der Gedenkveranstaltung kamen auch Beteiligte der damaligen Ereignisse zu Wort. Unter anderem sprach der Vater des ermordeten Kevin S. Am Abend waren die Bürger auf dem Marktplatz zu einem öffentlichen Gedenken eingeladen.