Trotz vieler Maßnahmen: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Opfer von Missbrauch werden, bleibt auf einem hohen Niveau. Zudem steigen die Gefahren für Kinder und Jugendliche im digitalen Raum.
In Deutschland bleibt die Zahl der Missbrauchsopfer hoch. Im vergangenen Jahr registrierten die Strafverfolgungsbehörden 16.354 Fälle, im Jahr zuvor waren es 16.375 Fälle von sexuellem Missbrauch von Jungen und Mädchen, wie aus den am Donnerstag in Berlin vorgestellten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht. Einen Höchstwert erreichte demnach die Anzahl der Fälle von Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornografischer Inhalte.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete die Zahlen als “erschütternd hoch”. “Wir dürfen uns damit nicht abfinden”, so Dobrindt. Jeder Täter müsse konsequent verfolgt werden. Dazu müssten die Sicherheitsbehörden technisch so ausgestattet werden, dass sie Täter gerade im Netz identifizieren und laufenden Missbrauch stoppen könnten. Die Bundesregierung werde deshalb die Speicherung von IP-Adressen einführen. Das sei ein zentrales Werkzeug, um Kinder besser zu schützen und Täter vor Gericht zu bringen.
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sagte, die Bekämpfung von sexueller Gewalt bleibe ein wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden in Deutschland. Ziel sei es, Täter künftig noch schneller und effektiver zu identifizieren und kriminelle Strukturen zu zerschlagen. Dazu solle gemeinsam mit den Polizisten der Länder regelmäßig gegen Betreiber von Plattformen im sogenannten Darknet vorgegangen werden, auf denen Abbildungen und Videos von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen verbreitet werde.
Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, betonte, Kinder und Jugendliche hätten ein Recht auf ein sicheres Aufwachsen – “offline wie online”. Mit der digitalen Welt habe sich das Grundrisiko, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, deutlich verschärft. Die gestiegenen Fallzahlen jugendpornografischer Darstellungen müssten alle aufrütteln, Politik und Plattformbetreiber müssten für Safe Spaces sorgen, so Claus.
In dem vorgestellten Lagebild wird die bereits im April veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik noch einmal gesondert ausgewertet, speziell mit Blick auf sexuellen Missbrauch, Missbrauchsdarstellungen und sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen. Knapp drei Viertel der Missbrauchsopfer sind laut Lagebild Mädchen. Mehr als jedes zweite Opfer kannte seine Täter etwa aus der Familie oder aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis. Ein Drittel der Tatverdächtigen sind minderjährig.
Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hatte zuvor einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt gefordert. Das sei eine der dringendsten Aufgaben unserer Zeit, sagte die CDU-Politikerin der “Rheinischen Post”. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu schützen, betonte Prien. Die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, erklärte, betroffenen Kindern müsse Glauben geschenkt werden. Präventionsprogramme und Schutzkonzepte in Kitas, Schulen und Sportvereinen seien wichtig, reichten aber nicht aus.