Spiegel: Ampel und Union einig bei Antisemitismus-Resolution

Seit mehr als einem Jahr haben sie darum gerungen. Jetzt haben sich Regierungsparteien und Unionsfraktion im Bundestag auf eine Resolution gegen Antisemitismus geeinigt.

Nach monatelangem Streit haben sich die Spitzen der Ampel-Fraktionen und der Union im Bundestag auf eine Antisemitismus-Resolution geeinigt. Der interfraktionelle Antrag mit dem Titel “Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken” solle den Fraktionsgremien in der kommenden Sitzungswoche als Beschlussvorlage vorgelegt werden, berichtete der “Spiegel” am Freitagabend.

Eine entsprechende Resolution, als Antwort auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, war bereits für den 9. November des vergangenen Jahres geplant, den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Über zwei Entwürfe – einen der Unionsfraktion sowie einen der Ampelfraktionen – hatte es seinerzeit keine Einigung gegeben. Der Zentralrat der Juden hatte das als beschämend bezeichnet.

Der Text verurteilt laut “Spiegel” alle Formen des Antisemitismus und fordert die Bundesregierung sowie Länder und Kommunen zu konkreten Maßnehmen im Kampf gegen Judenhass auf. “Seit dem grausamen Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sehen wir in Deutschland Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau”, heißt es darin. Die Entwicklung sei “sowohl auf einen zunehmend offenen und gewalttätigen Antisemitismus in rechtsextremistischen und islamistischen Milieus als auch auf einen relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus zurückzuführen”.

Explizit wird auch der Antisemitismus erwähnt, den Teile von Migranten nach Deutschland getragen haben. In den vergangenen Monaten sei “das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination verbreitet sind”. Zugleich seien völkische und rechtsextreme Positionen auf dem Vormarsch. All dies führe zu einer massiven Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Umstritten war vor allem die sogenannte Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Die Definition besagt unter anderem, dass auch der Staat Israel Ziel von antisemitischen Angriffen in Wort und Tat sein kann.

Der Resolutionstext bezieht sich ausdrücklich auf den Beschluss der Bundesregierung vom 20. September 2017, der die IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus politisch bekräftigt, und den Beschluss des Bundestages vom 17. Mai 2019, in dem sich das Parlament zur IHRA-Definition bekennt. Diese beiden Beschlüsse seien “als maßgeblich heranzuziehen”.

Konkret schlägt der Resolutionsentwurf vor, dass es keine staatliche Förderung von Antisemitismus geben dürfe. Es müsse sichergestellt werden, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert würden, die Antisemitismus verbreiteten, das Existenzrecht Israels infrage stellten, zum Boykott Israels aufriefen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützten. Die gegen Israel gerichtete Bewegung “Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen” (BDS) wird vom Bundesverfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall geführt.

Zudem müssten Gesetzeslücken geschlossen und repressive Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden, heißt es. Dies gelte in besonderem Maße im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht. Auch müssten extremistische Organisationen überprüft und verboten werden. “Dazu zählt, dass auch ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland geprüft wird.” Die Antisemitismusskandale der vergangenen Jahre – das Papier nennt ausdrücklich die documenta in Kassel und die Berlinale im Februar 2024 – “müssen umfassend aufgearbeitet werden”. Die Resolution spricht sich außerdem dafür aus, Schulen und Hochschulen darin zu unterstützen, durch Anwendung des Hausrechts antisemitische Übergriffe zu ahnden, zum Beispiel durch Ausschluss vom Unterricht oder gar der Exmatrikulation.

Auch auf den Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen gehen die Verfasser ein. Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen, heißt es in dem Text.