Jedes Jahr im Advent startet Brot für die Welt eine bundesweite Spendenaktion. Zum Höhepunkt ist die Kollekte bei vielen Heiligabend-Gottesdiensten für die Aktion bestimmt. In diesem Jahr findet der Eröffnungsgottesdienst in Karlsruhe statt – am Sonntag, 30. November, um 10 Uhr. Er wird live in der ARD übertragen. Im Interview spricht Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, über die Aktion und verrät, dass man auch mit kleinem Geldbeutel helfen kann.
Wann und wie hat die Tradition der Spendenaktionen begonnen?
Dagmar Pruin: Die erste große Spendenaktion „Brot für die Welt“ war gleichzeitig der Gründungsmoment. Die Aktion fand im Advent 1959 statt. Ziel war es, Geldspenden für eine Hungersnot in Indien zu sammeln. Und dass sie im Advent stattfand, war kein Zufall. Der Advent ist die Zeit der Hoffnung, des Wartens und des Lichtes. Er ist aber auch eine Zeit der Besinnlichkeit und der Einkehr.
Wenn wir in uns hineinfühlen, entsteht meist eine besondere Hinwendung zu dem, was wirklich zählt: dass es uns und unseren Mitmenschen – ganz gleich wo – gut gehen möge. Es ist die Zeit, in der wir traditionell mehr an andere denken. Aus dieser Bewegung heraus wuchs eine Tradition: Spenden, Teilen, Hoffnung schenken.
Was ist zur diesjährigen Spendenaktion geplant?
Unsere diesjährige, die 67. Spendenaktion, steht unter dem Motto „Kraft zum Leben schöpfen“. Es geht dabei um ein zentrales Thema: Wasser. Es ist so grundlegend wie unser tägliches Brot – und doch haben mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Welt keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mit der Aktion wollen wir darauf aufmerksam machen, wie lebenswichtig Wasser ist – und wie sehr der Zugang dazu über Gerechtigkeit, Gesundheit und Hoffnung entscheidet.
Dagmar Pruin: Ohne Wasser gibt es keine Zukunft
Ohne Wasser gibt es kein gesundes Leben, keine Ernten, keine Zukunft. Gleichzeitig gerät die Umwelt aufgrund der Klimakrise aus dem Takt: Wasser im Überfluss oder im Mangel wird dann zur Gefahr. Und Wasser zeigt exemplarisch, wie sehr wir weltweit miteinander verbunden sind – und wie unser Handeln die Lebensrealitäten im Globalen Süden beeinflusst. Wasserverschmutzung, Dürren und Überschwemmungen, das sind Phänomene, die uns alle betreffen können.
Wie steht es um die Spenden- und Hilfsbereitschaft in Deutschland?
Ich bin immer wieder tief berührt, wie groß die Hilfsbereitschaft in unserem Land ist – gerade in schwierigen Zeiten. Natürlich merken wir, dass viele Menschen selbst finanziell stärker planen müssen. Aber die Bereitschaft, zu teilen, bleibt. Vielleicht, weil die Idee von Brot für die Welt etwas anspricht, das in uns allen liegt: die Mitmenschlichkeit und das Verantwortungsgefühl füreinander. Man lässt keinen Menschen verhungern. Punkt.

Sprechen manche Themen die Menschen mehr an als andere?
Ja, Themen, die unmittelbar berühren – etwa Hunger, Schutz von Kindern oder die Hilfe in Katastrophen – lösen oft besonders große Resonanz aus. Aber auch langfristige Themen wie Klimagerechtigkeit oder faire Wirtschaftssysteme gewinnen an Bedeutung. Viele Menschen spüren: Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Das ist eine gute Entwicklung – die Menschen erkennen die Zusammenhänge und die Notwendigkeiten. Gleichzeitig spüren wir aber auch, wie stark die Kräfte werden, die eine Rückbesinnung auf das Nationale fordern. Wer das Ende globaler Verantwortung fordert, springt meiner Meinung nach zu kurz und fordert auch eine Abkehr von der Menschlichkeit.
Wie betrachten Sie die derzeitige Lage, verschlechtert sich die Situation? Was können wir tun?
Diese Frage beschäftigt mich tagtäglich. Die Lage vieler Menschen hat sich verschärft – durch Kriege, durch die Klimakrise, durch Ungerechtigkeit. Wenn ich mit unseren Partnern weltweit spreche und sie frage, was ihnen Hoffnung gibt, dann ist die Antwort eindeutig: the people! Jeden Tag engagieren sich Menschen in ihren Gemeinden oder in der Zivilgesellschaft füreinander – für die Menschenrechte, die Umwelt oder die Demokratie.
Brot für die Welt: Jeder Beitrag zählt
Überall auf der Welt stehen Menschen auf, um ihre Zukunft zu gestalten. Und wir hier können auch etwas tun: durch Spenden, durch Engagement, durch die Art, wie wir leben und konsumieren. Jeder Beitrag zählt. Und es fühlt sich fantastisch an, wirksam sein zu können und die Welt zu verändern. Unsere Motivation lautet: Schreib die Welt nicht ab, schreib sie um!
Gibt es etwas, das wir auch mit kleinem Geldbeutel tun können?
Unbedingt. Teilen heißt nicht nur Geld geben. Teilen heißt auch: aufmerksam sein, den anderen als Menschen anerkennen, die Nächsten würdevoll behandeln, Engagement weitergeben, für Gerechtigkeit eintreten, fair einkaufen, bewusst leben. Schon eine kleine Spende, eine Unterschrift, ein offenes Gespräch kann etwas bewegen. Solidarität ist keine Frage des Geldbeutels – sie ist eine Haltung.
