Armin Nassehi, Münchner Soziologe und Mitglied im Deutschen Ethikrat, über Fehler im Umgang mit der AfD, Defizite bei Konservativen und die Stimmung in der Gesellschaft.
Im Umgang mit der AfD werden nach Worten des Soziologen Armin Nassehi Fehler gemacht. “Die AfD hat den großen Vorteil, dass sie mit wenig Argumenten auskommt”, sagte Nassehi im Interview der “Welt am Sonntag”. Sie mache eine emotionalisierte Form von Politik, etwa beim Thema Migration. “Und sie lebt davon, Systemkritik zu betreiben.” Der größte Fehler im Umgang mit der AfD liege darin, deren Diagnose zu übernehmen, in diesem Land gehe alles den Bach runter, so Nassehi.
“Man darf die Gesellschaft nicht mit der Plattform X verwechseln”, riet der Soziologe. Empirische Studien belegten, dass die meisten Menschen mit ihrem Leben eigentlich ganz zufrieden seien. Allerdings verschwinde das Vertrauen in Demokratie, Staat und Regierung. Das nannte Nassehi “wirklich besorgniserregend”. Er halte eine Gleichsetzung von Konservativem und Rechtsradikalem für “den größten strategischen Fehler”. Konservativen gelinge es immer weniger, ihre politische Idee zu begründen.
Auf die Frage, warum die Stimmung in Deutschland schlecht sei, sagte Nassehi, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist: “Wenn man den Leuten ständig sagt, alles gehe den Bach herunter, dann glauben sie es irgendwann.” Sie hätten das Vertrauen ins System verloren.
“Wir stehen objektiv vor großen Herausforderungen. Es gibt eine emotionale Aufladung des Migrationsthemas. Wir hatten eine Pandemie. Geostrategische Fragen werden wieder wichtig. Wir erleben auf unseren eigenen Straßen Weltkonflikte nach”, so der Münchner Soziologe. Jeder, der in Deutschland lebt, müsse eigentlich wissen, dass vieles sehr gut laufe. “Man traut es sich kaum zu sagen.”