Soziologe: Das zivilgesellschaftliche Engagement funktioniert noch

Der Hildesheimer Soziologe Michael Corsten sieht in den zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in ganz Deutschland ein deutliches Zeichen dafür, dass eine Grenze überschritten wurde. Die bekannt gewordenen Pläne Rechtsextremer, Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft aus Deutschland auszuweisen, hätten offenbar viele Bürger empört, sagte Corsten in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie nähmen dies als Bedrohung ihrer Mitbürger wahr und wollten sich nun mit diesen solidarisieren – nach dem Motto: „Wir können nicht diejenigen ausweisen, die mit uns zusammenleben.“

Die Pläne gingen auch denjenigen Menschen zu weit, die die aktuell große Zahl von Flüchtlingen für problematisch hielten. Dass viele Demonstrationen von Privatleuten angemeldet wurden, sei zudem ein Indiz dafür, dass der Protest aus der Mitte der Zivilgesellschaft komme, betonte der Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim: „Das zivilgesellschaftliche Engagement funktioniert noch und das ist ein gutes Zeichen.“

Die Demonstrierenden machten überdies deutlich, dass sie die Demokratie als essenziell betrachteten und bereit seien, sich für ihren Erhalt einzusetzen. Das eröffne die Möglichkeit für neue Diskussionen und Aushandlungen zum Thema Migration. „Davon lebt die Demokratie. Wer sich immer auf der richtigen Seite wähnt, hat wenig Überzeugungskraft.“

Corsten sieht durchaus Chancen, dass sich dadurch auch Menschen, die einen eher skeptischen Blick auf Migration hätten oder zur AfD tendierten, umstimmen ließen. Demonstrationen böten vielfach Gelegenheiten, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Sie motivierten immer auch einige Engagierte zu weiteren Aktionen. Diese gründeten dann eigene Initiativen, organisierten Kulturevents oder Infostände. Studien zeigten, dass die Bürger oft viel ausgewogener argumentierten als Politiker, die häufig polarisierten. „Ich glaube an die Macht des Gesprächs und den Austausch von Meinungen.“

Der Soziologe warnte jedoch vor einem Verbot von Parteien wie der AfD, die extremen Positionen nahekämen. „Man sollte sie nicht in die Illegalität treiben.“ Dadurch würden sich Positionen verhärten, was wiederum die Demokratie gefährde.