Sorbischer Kirchentag in Schleife mit Chor

Vom 10. bis 11. Juni 2023 findet der 77. Sorbische Evangelische Kirchentag statt. Mit dabei ist auch der Chor mit Leiter Gerald Schön. Es werden fleißig Kirchenlieder auf Sorbisch geübt.

Sorbisches Kulturzentrum in Schleife
Sorbisches Kulturzentrum in SchleifeImago / Andreas Franke

Leicht und beweglich müssen die Zungen sein. Mit gezielten Atem- und Tonübungen startet die Probe. „Beim Singen atmen wir durch den Mund. Wir produzieren keine Töne, wir produzieren einen Klang“, erklärt Gerald Schön, Leiter des Projektchors für den 77. Sorbischen Evangelischen Kirchentag, der am 10. und 11. Juni in Schleife, im Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz stattfinden wird.

Paul-Gerhardt Hit „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ auf Sorbisch

Immer wieder stimmt er geduldig neu an und ermutigt die Singenden. Im Pfarrhaus Schleife proben sie fleißig auf Obersorbisch die Kirchenlieder „Ty sy swjaty“ (Du bist heilig) und „Ja sym z wami“ (Ich bin bei euch alle Tage) sowie auf Schleifer Sorbisch den Choral „Pój wutroba, bydwjesoa“ (Geh aus, mein Herz, und suche Freud). Vierstimmig sollen diese Lieder zum Kirchentag im MDR-Hörfunk-Gottesdienst am 11. Juni in der Schleifer Kirche erklingen.

Auf dem Weg zum Gesamtklang: Leichtigkeit geht vor Kraft.

Volumen und Raum kommen vor Lautstärke. Immer wieder verweist Gerald Schön darauf. „Wir halten die Töne ein bisschen länger durch, bleiben aber im Tempo“, fordert er. „Das ist schon gutes Singen ohne viel Kraft. Wir wollen einen guten Gesamtklang erreichen.“ Seit dem 11. März probt der Projektchor mittwochs. Er vereint rund 25 Singende im Alter von 35 bis 75 Jahren. Aus dem gesamten Kirchspiel Schleife und aus Weißwasser kommen sie.

Sorbischer Chor bei Probe
Sorbischer Chor bei ProbeAndreas Kirschke

Es sind Mitglieder der früheren Schleifer Kantorki, der Gesangsgruppe Rowniske gosy (Rohner Stimmen), des Vereins kólesko (Spinnrad), des Schleifer Kirchenchors und weitere kulturellmusikalisch Interessierte. „Jeder hat ein anderes Niveau. Jeder bringt andere Voraussetzungen mit – ob sprachlich oder gesanglich“, weiß Schön. „Das gilt es zusammenzuführen, eine enorme Herausforderung.“

Seit vielen Jahren engagiert sich der 52-jährige für den Erhalt des sorbischen Liedguts. Niedersorbisch lernte Gerald Schön am Sorbischen Gymnasium Cottbus. Seine Urgroßmutter mütterlicherseits, Christiane Klauke in Weskow bei Spremberg, war die Letzte, die in der Familie noch fließend Sorbisch sprach. Großvater Helmut Nakonz gab an seinen Enkel die Freude am Verzieren der Ostereier weiter. Mit diesen Wurzeln und mit seinem Heimatort Weskow fühlt sich Schön, der als Musikpädagoge arbeitet, bis heute verbunden.

Schleifer Traditionen

Lange koordinierte und leitete er verschiedene sorbische Chöre in der Niederlausitz. Den Frauenchor Jänschwalde auch gegenwärtig. Mit Schleife in der Oberlausitz verbindet ihn viel. Acht Jahre war er musikalischer Leiter für das dortige Sorbische Folkloreensemble. Seit 2012 ist er musikalischer Leiter im Verein kólesko. Dieser pflegt Sprache, Liedgut, Bräuche und Traditionen in Schleifer Sorbisch. Der Verein engagiert sich zudem für die Wahrung und Pflege der Schleifer Trachten und Geschichte. „Im Jahreskreis begleiten wir Gottesdienste musikalisch, unter anderem zu Ostern, zu Pfingsten, zur Kirchweih und zur Einsegnung des Schleifer Christkindes Detko“, sagt Schön.

Sorbische Sängerinnen
Sorbische SängerinnenImago / Steffen Unger

„Wir arbeiten kontinuierlich mit Jadwiga Malinkowa zusammen, Pfarrerin der Kirchgemeinde Schleife. Auf ihren Wunsch hin entstand auch der Projektchor für den Kirchentag.“ Zwei Lieder, die der Chor einstudiert, stehen im 2022 erschienenen Gesangbuch „Zernika. Krluše a modlitwy“ (Morgenstern. Choräle und Gebete). Mit dem Lied „Ty sy swjaty“ lobpreisen die Singenden Gott, bitten den Herrn um Schutz und Beistand. Melodie und Text stammen von Per Harling und Fritz Baltruweit.

Fabian Kaulfürst dichtete es auf Obersorbisch nach. Im Lied „Ja sym z wami“ geht es um tiefes Gottvertrauen. Der Text stammt von Lothar Schellenberg. Für den Notensatz sorgte 1996 Holger Schmidt. Bianka Wjecyna dichtete das Lied auf Obersorbisch nach. Aus der Feder des evangelisch-lutherischen Theologen und bedeutenden deutschsprachigen Kirchenlied-Dichters Paul Gerhardt (1607– 1676) stammt das Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“. Augustin Harder schuf die Melodie dazu. Juliana Kaulfürstowa dichtete das Lied auf Schleifer Sorbisch nach. Es zeugt von der Freude an der Natur, der Vorfreude auf den Vorsommer und der Verbundenheit mit Gottes kleinen Wundern.

„Wir kommen gut voran mit den Proben. Alle sind mit Freude bei der Sache“, sagt der Chorleiter. Er freue sich auf den Kirchentag in Schleife. Mehrere Sorbische Kirchentage hat er bereits miterlebt. 2017, beim 71. Kirchentag in Straupitz, leitete er die Vereinigten niedersorbischen Chöre sowie den Kinder- und Jugendchor. Beim Kirchentag in Bautzen wirkte er 2019 selbst als Solosänger mit.

Melange aus Text und Musik

Wichtig ist ihm bei den Proben, Freude und Gesangstechnik zu vermitteln. Die Singenden sollen lernen, mit Körper und Stimme besser umzugehen. Denn es geht nicht nur um Tonhöhe, Rhythmus und Text, sondern „um den Gesamtklang, um die musikalische Aussage“, betont Schön. „Text und Musik sollen miteinander verschmelzen.“ Singen, sagt er, verlange Konzentration und Muskelspannung. Nötig sind jedoch auch eine gewisse Lockerheit und ein Ziel vor Augen. Das will er jedem Einzelnen im Projektchor mitgeben: „Was bleibt, ist in jedem Fall das gemeinsame Erlebnis, die Freude am sorbischen Singen, der Zugang zur sorbischen Sprache und die Überwindung der Scheu, in einer anderen Sprache zu singen.“

Aufbauen auf Vorhandenem

Mit Blick auf den Kirchentag in Schleife freut er sich vor allem auf die Musik, aber auch auf die Vorträge und die vielfältigen Begegnungen. Ähnlich geht es seinen Chorsängern. „Es ist vor allem die Freude am Singen. Wir wollen es versuchen zum Kirchentag“, meint Karin Wettig aus Schleife. Sie stammt aus Mulkwitz. Ihre Großmutter mütterlicherseits, Marie Dubrau, sprach im Alltag Sorbisch.

Sorbische Trachten
Sorbische TrachtenImago / Rainer Weisflog

Sie ging noch täglich in Tracht. Wettig lernte Sorbisch von der 1. bis zur 10. Klasse in der Schule. Seit vielen Jahren singt sie, wie Kerstin Schuster aus Groß Düben, im Kirchenchor der Evangelischen Gemeinde Schleife. „Ich habe keine größeren Vorkenntnisse in Sorbisch. Ich hatte nur einen kurzen Lesekurs für Eltern, als mein Sohn Vincent 2006 eingeschult wurde“, sagt Schuster. Wie Karin Wettig und die anderen probt sie jetzt fleißig für den Kirchentag. Dieser findet nach 1958, 1967, 1991, 2011 und 2016 wieder in Schleife statt.

Weitere Informationen zur Kirchengemeinde in Schleife und auf Sorbisch finden Interessierte unter: www.ev-kg-schleife.de und www.serby-ekbo.de

Andreas Kirschke ist freier Autor