Solidarisch widerstehen

Ökumenische FriedensDekade: Der Ruf nach „ZUSAMMEN:HALT“ in einer schwierigen Zeit

Von Jan Gildemeister

Die COVID-19-Pandemie macht es ­offensichtlich, die Auseinander­setzung um den schrecklichen Krieg in der Ukraine und seine Folgen auch in Deutschland verstärken die Tendenz: Unsere Gesellschaft erlebt eine immer stärkere Fragmentierung, ob sozial, kulturell oder auch politisch. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch die gelebte Demokratie ist es nicht gut bestellt.

Zugleich tragen verschiedene Entwicklungen zur gesellschaft­lichen Erosion bei, die gestoppt werden müssen: die wachsende soziale Ungleichheit, Antisemitismus und Rassismus, Fake News und Verschwörungstheorien, Hass und ­Ausgrenzung nicht nur in sozialen Medien. Da gilt es zusammen „Halt“ zu rufen.

Auch um den Zusammenhalt der Weltgemeinschaft ist es nicht gut bestellt: Eine Atommacht führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Europa. Unter massiv steigenden Energiepreisen und den Folgen des menschengemachten ­Klimawandels leiden vor allem arme Länder. Und es ist dringend, angesichts einer weltweiten Aufrüstung, einem menschenverachtenden Umgang mit Geflüchteten und dem ­fehlenden Mut, die Zerstörung der Mit-Schöpfung zu beenden, diesen und anderen Fehlentwicklungen ­solidarisch zu widerstehen. 

Dies ist der Hintergrund für das Motto „ZUSAMMEN:HALT“ der diesjährigen Ökumenischen Friedens­Dekade, die vom 6. bis 16. November stattfindet. Seit mehr als 40 Jahren rücken in den zehn Tagen vor dem Buß- und Bettag Christinnen und Christen Fragen der Gerechtigkeit, es Friedens und die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt und tragen so zur friedenspolitischen Willensbildung in Kirchen, Gemeinden und der Gesellschaft bei. Die ­angebotenen Materialien liefern dafür wichtige Hintergrundinfor­mationen und konkrete Anregungen für die Gestaltung von Andachten, Gottesdiensten, Gruppentreffen und ­öffentlichen Veranstaltungen. 

Die FriedensDekade will den Fokus darauf richten, dass Frieden letztlich mit Gewalt nicht erreicht werden kann. Die biblische Aufforderung, „Schwerter zu Pflugscharen zu machen und nicht mehr zu lernen, sein Schwert gegen ein anderes Volk zu erheben“, wie es beim ­Propheten Micha heißt, bleibt für uns die große Herausforderung, auf die wir als Christinnen und Christen eine Antwort geben müssen.

Die FriedensDekade lenkt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit besonders auf die konstruktive Konflikt­bearbeitung. Wir erleben zahlreiche Konflikte in unserer Gesellschaft. Es geht um Ausgrenzung aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht, es geht um ­Anfeindungen von Geflüchteten, es geht um Fragen der Inklusion und der Partizipation, aber auch um den Umweltschutz und den Umgang mit der Klimakrise. 

Konflikt­e konstruktiv lösen

Vielfach gelingt es nicht, vernünftig über Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg zu streiten. Darum ist es wichtig, dass gewaltfreie Instrumente der Konfliktbearbeitung auch im Inland ein eigenständiges und besser gefördertes Arbeitsfeld werden. Es gibt zahlreiche erfolgreiche Projekte beispielsweise in der ­kommunalen Konfliktberatung, die zeigen, wie Auseinandersetzungen gewaltfrei ­gelöst werden können. Ein zentrales Element dabei ist immer, die Beteiligten mit ihren ­Interessen und Sichtweisen aktiv in die Suche nach Lösungswegen ­einzubeziehen.

Doch auch in der internationalen Politik ist eine Stärkung der ­konstruktiven Konfliktbearbeitung ­unabdingbar. Auch hier verschärfen sich die Krisen, fehlende Koopera­tionsbereitschaft und vertrauens­bildende Maßnahmen führten zur Kündigung von Abrüstungsverträgen, der Krieg in der Ukraine verstärkt die Spannungen in der Welt.

Auch hier könnte eine zivile Konfliktbearbeitung wertvolle Impulse geben. Doch leider fehlt offenbar, auch in der deutschen Bundesregierung, der politische Wille, Maßnahmen der Krisenprävention und der zivilen Konflikttransformation Vorrang vor einem militärischen Sicherheitsdenken einzuräumen. 

Ganze Menschheit braucht dringend Zusammenhalt

Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist klar, dass es nicht weitergehen darf wie bisher. Es dürfen nicht mehr Ressourcen in die ­Aufrüstung fließen, die soziale ­Ungerechtigkeit muss abgebaut und die Ursachen für die Klimakrise bekämpft werden. Es braucht ein anderes Handeln. Die Ökumenische FriedensDekade will deutlich machen, dass die ganze Menschheit dringend Zusammenhalt braucht, damit sie überleben kann. Und dass sie auch Protest, gewaltfreien Widerstand und politische Lobbyarbeit überall dort braucht, wo soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung mit Füßen getreten werden. Beides, Zusammenhalt und politischer Streit, sind Kernanliegen der Ökumenischen FriedensDekade, um das Leben für alle Menschen nachhaltig zu gestalten.

Materialien, Termine, Downloads unter www.friedensdekade.de/

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg laden ein zum bundesweiten Gottesdienst anlässlich der Friedensdekade am 16. November, um 18 Uhr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Die Predigt hält Lydia Funck, Generalsekretärin von Church and Peace, dem europä­ischen ökumenischen Netzwerk von Friedenskirchen und Friedensorgani­sationen. Im Anschluss an den Gottesdienst folgt ein kleiner Empfang. 

Um Anmeldung wird gebeten bis 7. November  bei der Ökumenischen ­Centrale. E-Mail:?info@ack-oec.de