So werten die Gutachter Latzels umstrittene Äußerungen

Haben die homophoben Bemerkungen des Bremer Pastors Latzel eine theologische Berechtigung? Oder handelt es sich um eine persönliche Meinung? Dazu hat das Landgericht zwei Sachverständige gehört – mit überraschendem Ausgang.

Pastor Latzel auf dem Weg zum Landgericht
Pastor Latzel auf dem Weg zum LandgerichtTristan Vankann / epd

Bremen. Im Berufungsverfahren gegen den wegen homophober Volksverhetzung verurteilten Bremer Pastor Olaf Latzel bewerten theologische Sachverständige seine umstrittenen Äußerungen unterschiedlich. Während der Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger vor dem Bremer Landgericht „eine gute biblische Grundlage“ für die Aussagen des Angeklagten sah, sagte die Bochumer Theologieprofessorin Isolde Karle, sie seien „auf keinen Fall“ biblisch. Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag gegen Karle.

Der streng konservative evangelische Theologe Latzel (54) wehrt sich vor der Kammer gegen eine Entscheidung in erster Instanz, nach der er wegen homophober Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Im Oktober 2019 hatte er in einer „biblischen Fahrschule zur Ehe“ vor 30 Paaren unter anderem gesagt, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“. Er warnte vor einer „Homolobby“: „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“ Eine Aufzeichnung von dem Seminar wurde später auf Latzels Youtube-Kanal mit vielen Tausend Abonnenten online gestellt.

„Keine abwegige Sondermeinung“

Schwienhorst-Schönberger sagte dazu, Latzels Äußerungen seien in der Theologie „keine private abwegige Sondermeinung“. Allerdings sei die Bewertung homosexueller Praxis umstritten. „Der Knackpunkt ist, wie man in der modernen Gesellschaft mit Aussagen der Bibel umgeht“, bekräftigte der konservative katholische Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft. Nach seiner Einschätzung hat Latzel weder zu Gewalt noch zu Willkür oder Hass gegen homosexuelle Gruppen oder Menschen aufgerufen.

Isolde Karle
Isolde KarlePrivat

Die liberale evangelische Theologin Karle hingegen sagte, im christlichen Glauben gebe es keine Grundlage, Homosexualität zu verachten. Das sei heute Konsens in der universitär-wissenschaftlich diskutierten evangelischen Ethik. Überdies sei es willkürlich, einzelne Bibelstellen zu zitieren, ohne sie im biblischen Gesamtzusammenhang zu betrachten und zu interpretieren, wie es Latzel getan habe. Der Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde habe sich öffentlich in schwer diffamierender Weise geäußert und damit viele Menschen verstört und verletzt.

Aufgrund von Aussagen wie diesen warf Verteidiger Sascha Böttner Professorin Karle Befangenheit vor. Er kritisierte eine „offensichtlich mangelnde Qualität“ ihres Gutachtens. Sie sei nicht unparteiisch und habe ihre Pflicht als Gutachterin eklatant verletzt. Mit „tendenziösen Erwägungen“ habe sie ihren Auftrag mit Aussagen zu Rechtsfragen überschritten und eine Vorverurteilung vorgenommen.


Lesen Sie auch
„Holy Shit“ – Pastor Latzel predigt unter Protest
Kirchenleitung bekommt Hassmails
Latzel weist Vorwurf der Volksverhetzung zurück


Am kommenden Montag ist im Prozessverlauf der dritte von insgesamt vier Verhandlungstagen unter dem Vorsitz von Richter Hendrik Göhner geplant. Dann soll über den Befangenheitsantrag entschieden werden. Außerdem sind die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geplant. Am darauf folgenden Freitag (20. Mai) soll das Urteil gesprochen werden.

In erster Instanz hatte das Bremer Amtsgericht Latzel zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Damit wäre der Theologe nicht vorbestraft. Das Urteil in der Berufung darf nicht härter ausfallen. (epd)