So soll Religion an der Schule heute aussehen

Wie soll Religionsunterricht heute aussehen? Darüber diskutierten 700 Lehrer bei einem Forum der Landeskirche. Auch religiöse Konflikte waren Thema.

Diese Lehrerinnen diskutieren eifrig
Diese Lehrerinnen diskutieren eifrigJens Schulze

Hannover. Draußen Polizei und Ordner, drinnen Taschenkontrollen und Leibwächter. Ungewohnte Sicherheitsvorkehrungen begleiteten die Lehrer beim Fachtag Religion und Schule der Landeskirche im hannoverschen Kongresszentrum (HCC). Bei Großveranstaltungen mit dem Thema Islam sei dies inzwischen Standard, teilte die Landeskirche mit.
In seiner Eröffnungsrede lobte Landesbischof Ralf Meister die Lehrer, Referendare und Lehramtsstudenten als Dienstleistende für den Frieden in unseren Schulen und unserer Gesellschaft. Religionslehrer seien nicht nur Experten ihres Fachs, sondern auch Vermittler zwischen den Religionen. „Sie haben eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft.“ Bildung sei das schärfste Schwert gegen jeden Fundamentalismus, betonte Meister.
So standen dann auch die großen und aktuellen Themen Krieg, religiöse Gewalt, Nahost-Konflikt und Flüchtlinge auf dem Programm. Bundesweit bekannte Fachleute wie der Münsteraner Koranwissenschaftler Mohammed Nekroumi und der Berliner Islamexperte Michael Lüders waren angereist und teilten ihr Fachwissen. In einzelnen Workshops ging es jedoch auch um ganz spezielle Ausschnitte der großen Themen oder um die Vorstellung gelungene Modellprojekte für Schulen.

Gewalt – mehr als nur körperliche Brutalität

In einem der Foren diskutierte der Landesbischof mit Experten über das Verhältnis von Religion und Gewalt. Der Berliner Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour, der für sich Personenschutz beantragt hatte, betonte, dass Gewalt mehr sei als nur körperliche Brutalität. „Es ist auch gewalttätig, wenn Väter ihren Töchtern verbieten, am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten teilzunehmen oder wenn man die Religion anderer abwertet und versucht, sie zu missionieren“, erläuterte der Wissenschaftler.
Mansour sieht diese Gewaltformen gerade unter streng muslimischen Jugendlichen verbreitet. Viele von ihnen seien in einem patriarchalischen Rollenverständnis und mit dem festen Glauben an einen strafenden Gott erzogen worden. Sie betrachteten den Islam wie eine ausschließende Ideologie, oft seien sie antisemitisch und schwulenfeindlich eingestellt.Der palästinensische Psychologe betreibt deshalb in Berlin-Neukölln ein Projekt, in dem er muslimischen Jugendlichen Werte wie Toleranz und Gleichberechtigung näherbringen will.

Jugendliche so friedlich wie nie

Der hannoversche Sozialwissenschaftler Christian Pfeiffer bestätigt Mansours Aussage mit Zahlen. Hochreligiöse Eltern setzten Gewalt weitaus häufiger ein als weniger Gläubige. „Nur 21 Prozent der stark Religiösen verzichten auf Gewalt in der Erziehung“, so der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Am stärksten sei das bei Evangelikalen und islamischen Eltern ausgeprägt. Da werde auch mal mit Gürteln und Fäusten auf die Kinder eingeprügelt. Dies färbe auf deren Verhalten ab. „Mehr Liebe statt Hiebe“, lautet darum Pfeiffers Rat an Eltern.
Trotzdem sei die Jugendgewalt in Deutschland aber so gering wie noch nie, betonte der Kriminologe und frühere niedersächsische Justizminister. Auch hierbei spiele Religion eine Rolle: Je religiöser christliche Jugendliche, desto friedlicher seien sie, hat das KFN in Studien ermittelt. Für muslimische Jugendliche gelte dies aber nicht, schränkte er ein. Besonders jüdische Schüler leiden darunter. Sie trauen sich oft nicht, sich in der Schule zu ihrer Religion zu bekennen, denn es folgten Mobbing und Gewalt, so Pfeiffer. „Es ärgert mich, dass so getan wird, als ob der Antisemitismus in Deutschland im Jahr 1945 aufhört.“