Seenotrettung: Das populistische Manöver der FDP
Die FDP fordert das Außenministerium auf, die Seenotrettung im Mittelmeer nicht mehr zu fördern. Ein durchsichtiger Zug aus Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, kommentiert Timo Teggatz.
Es war nur eine kleine Meldung, vier Absätze lang, im Strom von Neuigkeiten, die die Nachrichtenagenturen jeden Tag ausspucken: Das Rettungsschiff Sea-Eye 4 hat 22 Menschen das Leben gerettet. Die Besatzung musste mit ansehen, wie mutmaßlich Schlepper die Flüchtlinge zwangen, von einem fahrenden Boot ins Meer zu springen. Man kann sich leider leicht ausmalen, was passiert wäre, wenn die Sea-Eye 4 gerade nicht in der Nähe gewesen wäre. Oder wenn es Rettungsschiffe privater Organisationen im Mittelmeer nicht mehr geben würde.
Die FDP im Bundestag hat jetzt Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, die private Seenotrettung im Mittelmeer nicht länger zu unterstützen. Etwa 1,9 Millionen Euro hat die Bundesregierung im laufenden Jahr für verschiedene Organisationen gegeben, beschlossen von allen Ampelpartnern. Nun gehört Streit unter den Ampelparteien fast schon zum guten Ton. Ziemlich lange zurück dürfte die letzte gemeinsame Entscheidung liegen, bei der sich nicht mindestens einer der Partner hinterher in Interviews vom eigenen Beschluss distanzierte.
Geld für Seenotrettung: FDP greift in die populistische Kiste
Aber dieses durchsichtige FDP-Manöver hat noch einmal eine andere Qualität. Die Liberalen haben inzwischen die berechtigte Angst, dass sie im kommenden Bundestag nicht mehr mitmischen dürfen. Kein Wunder, wenn man bei Landtagswahlen gerade mal halb so viele Stimmen einfährt wie die Tierschutzpartei. Und was macht eine Partei, die Angst hat vor der eigenen Bedeutungslosigkeit? Sie greift in die populistische Kiste, in diesem Fall sogar mit garantiert tödlicher Folge.
Dabei ist es immer ein Eigentor, die Rechtsaußen der AfD nachahmen zu wollen. Das sagen sowohl die Theorie der Politologie als auch die Praxis der Politik. Die Kurve der CDU zeigte jedenfalls nicht steil nach oben, nachdem Friedrich Merz Ukraine-Flüchtlinge als “Sozialtouristen” bezeichnet hatte oder fälschlicherweise davon sprach, dass die Deutschen wegen der Geflüchteten keine Zahnarzt-Termine mehr bekommen würden. Die Leute wählen eben lieber das Original als die Fälschung.
Glasklare Ansage des Bundestags zur Seenotrettung
Obendrein irrt FDP-Fraktionschef Christian Dürr, der in einem Interview sagte, es gebe aus dem Bundestag die “klare Ansage”, dass Seenotretter keine Steuergelder mehr bekommen sollten. Das Gegenteil ist der Fall: 2022 hat der Bundestag beschlossen, dass private Seenotrettungsorganisationen bis 2026 mit jährlich zwei Millionen Euro unterstützt werden sollen. Eine andere Entscheidung des Parlaments gibt es nicht. Deshalb gilt: Der Bundestag hat die glasklare Ansage gemacht, Seenotrettungsorganisationen zu fördern – und damit viele Leben zu retten. Zur Konsolidierung des Haushalts dürften die zwei Millionen Euro auch nicht wirklich taugen bei einem Volumen des Bundeshaushalts von 445 Milliarden Euro.
Ansonsten gilt der Satz, den die Pastorin Sandra Bils beim Kirchentag 2019 in Dortmund prägte: “Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt.“ Bedauerlich, dass eine Partei in Regierungsverantwortung das anders sieht.