Schuster: Judenhass nicht nur in Geschichtsbüchern, sondern real

Millionen Menschen wurden von den Nazis verfolgt und teilweise ermordet. In München startet jetzt ein besonderes Projekt, um an die Opfer zu erinnern. Zentralratspräsident Schuster gibt der Stadt einen neuen Namen.

Antisemitismus darf nach Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nicht nur historisch betrachtet werden. „In unserer Gesellschaft ist eine Empathielosigkeit mit Betroffenen von Antisemitismus verbreitet, die meist daran liegt, dass gerade junge Menschen Antisemitismus häufig nur in Geschichtsbüchern verorten, dabei ist er heute real“, sagte Schuster laut Manuskript am Donnerstag in München. „Erinnern ist nicht statisch, es darf nicht zum Wegschließen und Ausblenden von Erfahrungen führen.“

Unter dem Titel „Die Rückkehr der Namen“ gedenken der Bayerische Rundfunk und die Stadt München am selben Tag der Verfolgten des NS-Regimes in der bayerischen Landeshauptstadt. Mit dem Projekt soll zudem ein Zeichen für Demokratie und Toleranz gesetzt werden. Für die Aktion wurden Patinnen und Paten für über 1.000 Persönlichkeiten gewonnen. Sie wollen um 15.00 Uhr an Orten mit Bezug zu den Lebens- und Leidensgeschichten der Verfolgten mit Erinnerungstafeln von deren Schicksal erzählen und Passanten zum Austausch einladen.

„Die für die Bundesrepublik so konstitutive Erinnerungskultur droht in einem Deutungskampf der Extreme aufgerieben zu werden. Während in linken Milieus die Einzigartigkeit der Schoa bestritten wird, haben wir uns an die Relativierungen von rechtsextremer Seite fast schon als eine traurige Gewissheit gewöhnt“, so der Würzburger Schuster.

Es brauche ein Aufbegehren der gesellschaftlichen Mitte sowie „eine intellektuelle und praktische Auseinandersetzung, wie wir das Erinnern und Gedenken an die Schoa in Deutschland in eine neue Zeit bringen können; eine Zeit ohne Zeitzeugen, eine Zeit mit digitalen Möglichkeiten – und Grenzen“, betonte der Zentralratspräsident.

Bei dem Projekt in München sehe er ein solches Aufbegehren, sagte Schuster. „Das München von heute ist nicht mehr die selbst ernannte ‚Hauptstadt der Bewegung‘. Das München von heute ist die Hauptstadt der Toleranz und Offenheit.“ Damit spielte Schuster auf die Bezeichnung Münchens im Nazijargon als „Hauptstadt der Bewegung“ an.