Schunkeln mit Anspruch

Wer glaubt, dass die Kölner Protestantische Karnevalssitzung „Prot’s“ nur zum Spaß stattfindet, irrt. Tatsächlich treffen sich zum Schunkeln an der Kanzel die Logen des geheimen Prot’s-Ordens. 500 Jahre nach der Reformation gibt es Klärungsbedarf.

Köln (epd). Soll der Protestant mehr reden, sich einmischen? Oder soll er schweigen, Zurückhaltung üben? Wie gut, dass der Großmeister des geheimen protestantischen Prot's-Ordens, der Leverkusener Pfarrer Christoph Prößdorf, zur Beratung nach Köln in die Kartäuserkirche geladen hat. Zum schunkelnden Konvent der Logenbrüder und -schwestern in der evangelischen Kirche mit katholischer Ordensvergangenheit sind ausdrücklich auch weltliche Jecken willkommen. Alle sind vom Schweigegelübde entbunden. Premiere der evangelischen Karnevalssitzung "Prot's" ist am Samstag. Vier weitere Aufführungen mit Kabarett auf der Bühne, mit Kölsch und Nudelsalat in der Kirchenbank folgen.

Karneval an der Kanzel? Ja, endlich, atmet die Kölner Pfarrerin Dorothee Schaper, langjähriges Mitglied im Prot's-Präsidium, auf. Zu relevant seien die Themen um kontaktscheue Päpste, die kriselnde Ökumene zwischen Köln und Düsseldorf und Frömmigkeit unter den Auflagen der Datenschutzgrundverordnung, um die Diskussion weiterhin in Gemeindesäle zu verbannen. Zudem seien mit dem Umzug in die Kölner Südstadt die protestantischen Karnevalisten endlich im Epizentrum des rheinischen Frohsinns angekommen, betonen Schaper und Kartäuserkirchen-Gastgeber, Pfarrer Mathias Bonhoeffer. Bislang hatten alle zwei Jahre zentrumsferne Stadtteile wie Bocklemünd und Michaelshoven der Prot's eine Heimat geboten.

Lachmuskeln von Kirchenfernen strapazieren

Unter der professionellen Regie von Lutz Weber und Sabine Nurtsch, mit Beiträgen des Dünnwalder Laien-Ensembles "Dünnpfiff", von Berufsschulpfarrer Herbert Rösner und anderen Kreativen der evangelischen Szene sei ein beachtliches Programm von lauter Ehrenamtlern auf und hinter der Bühne entstanden, erläutern die Prot's-Macher. Der Sitzungsbesuch dürfte nicht nur den angekündigten Gästen aus dem Düsseldorfer Landeskirchenamt als Fortbildung dienen, sondern auch die Lachmuskeln von Kirchenfernen strapazieren. Der Erlös der Eintrittskarten kommt der Jugendarbeit der Kölner evangelischen Gemeinde zugute.

Weniger zum Lachen sind allerdings die neuen Auflagen durch die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Trauungen, Taufen – dürfen Pfarrer da noch persönliche Daten der Beteiligten nennen? Natürlich nicht, erfahren Besucher der Prot's, die einer DSGVO-konformen Trauung beiwohnen dürfen. Der recht häufig erklingende Piepton zum Übertönen der Namen von Braut und Bräutigam stört fast gar nicht.

Papst-WG von Benedikt und Franziskus

Auch in diesem Jahr haben es die protestantischen Karnevalisten geschafft, einen Blick in die Papst-WG von Benedikt und Franziskus zu werfen. Zwischen Kreuzworträtsel und Abendlektüre, zwischen bayerischer Grantelei und lateinamerikanischer Geschwätzigkeit erfahren die Zuschauer, warum der Protestantismus so wenig Gehör in Rom findet und das päpstliche Grußwort zu einer dieser evangelischen Großveranstaltungen ausbleiben wird. Benedikt hat einfach keine Lust, mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland zu telefonieren und deswegen die Leitung zu blockieren. Es könnten ja wichtigere Leute anrufen. Da hört das Telefon auf dem WG-Beistelltischchen ganz von selbst auf zu klingeln. Endlich wieder Ruhe im Vatikan.

Die Stadt Köln hingegen ist bemüht, das Kommunikationsklima zu verbessern. Das Lachseminar der staatlich geprüften Gelotologin Hannelore für städtische Mitarbeiter soll alle zum Lachen benötigten Muskeln aktivieren. Der Erfolg will sich nicht so recht einstellen. Und dann schwätzen auch noch unmotivierte Kursteilnehmer miteinander. Satzfetzen wie "Oper und Schauspiel bis spätestens 2023 saniert", "Container auf dem Breslauer Platz nur Provisorium" oder "Dieselfahrverbot in der Innenstadt" gehen in unkontrollierten Zuckungen und Lachsalven unter.

Innerstädtischer Frohsinn

Dieser innerstädtische Frohsinn steht im Gegensatz zur Dauerkrise zwischen den Karnevalshochburgen Köln und Düsseldorf. Die Begegnung des versehentlich gleichzeitig zur Prot's eingeladenen Kölner Dreigestirns mit Prinz, Bauer, Jungfrau und des Düsseldorfer Prinzen samt seiner Venetia droht, in einem Straßenkampf der verfeindeten Lager zu enden. Kann hier die spontan erblühende Liebe zwischen der Düsseldorfer Venetia und der Kölner Jungfrau Frieden stiften?

Dass sich Gegensätze anziehen und gemeinsam Konflikte überwunden werden können, erkennen zum Schluss auch die zerstrittenen Logen des geheimen Prot's-Ordens. Es brauche eben Schweigen und Reden in der Kirche, sagen die nun vereinten Lager: damit zugehört und nicht weggehört wird, damit der Mund an der richtigen Stelle aufgemacht und nicht nur rumgemeckert wird. Wehmut angesichts des "Untergangs der guten alten Schweigekultur im Landeskirchenamt" empfinden wohl nur noch einzelne Brüder und Schwestern.