Schimpansenforscherin und Naturschutzikone Jane Goodall wird 90

Sie ist die Grande Dame des Tier- und Naturschutzes. Auch mit 90 Jahren ist die Britin Jane Goodall in aller Welt präsent, um für ihr Herzensanliegen zu werben – zierlich in Gestalt, unnachgiebig in der Sache.

Schimpansen sind ihr Leben. Schon als Kind haben Jane Goodall die Menschenaffen fasziniert. Ein Foto in ihrer Autobiografie „Grund zur Hoffnung“ zeigt sie als Kleinkind angekuschelt an einen Plüsch-Schimpansen. Als junge Frau macht sie sich – ohne Geld und universitäre Ausbildung – auf, die Primaten in Tansania zu beobachten. Ihre Studien revolutionieren die Verhaltensforschung. Heute ist Goodall die wohl berühmteste Primatenforscherin des 20. Jahrhunderts, eine Ikone der Umweltschutzbewegung und UN-Friedensbotschafterin. Vor 90 Jahren, am 3. April 1934, wurde die charismatische Forscherin in London geboren.

1957 reist Goodall erstmals nach Afrika, führt später im Gombe National Park in Tansania Verhaltensbeobachtungen an Schimpansen durch. Der Park sollte zu ihrer zweiten Heimat werden. Ohne wissenschaftliche Vorbildung beginnt Goodall mit ihren Forschungen. Für ihre berühmteste Studie beobachtet sie dort 45 Jahre lang Schimpansen. Was sie entdeckt, ist eine wissenschaftliche Sensation: Die Affen benutzen bei der Nahrungssuche beispielsweise Zweige, um Termiten aus Löchern zu angeln. Der Gebrauch von Werkzeugen wurde bis dahin nur Menschen zugestanden.

In der männerdominierten Primatenforschung erntet die hübsche Britin zunächst heftige Kritik. Ihr wird mangelnde Wissenschaftlichkeit vorgeworfen, weil sie den von ihr beobachteten Tieren Namen gibt statt der üblichen Nummern. Dennoch promoviert sie schließlich 1965 – ohne je regulär an einer Hochschule studiert zu haben – mit einer Ausnahmegenehmigung an der Universität Cambridge. Mit ihren Verhaltensbeobachtungen trägt die Ethologin maßgeblich zu einem besseren Verständnis der nächsten Verwandten des Menschen bei. Sie ist überzeugt, „dass wir Menschen nicht die Einzigen mit Persönlichkeit sind, mit Verstand und Emotionen“.

1977 gründet sie das „Institute for Wildlife Research, Education and Conservation“, das inzwischen in 22 Ländern vertreten ist. Mitte der 1980er Jahre beginnt sie, sich verstärkt für den Schutz des Lebensraums der Tiere sowie für sanften Tourismus einzusetzen. Um nachfolgende Generationen für ihr Anliegen zu sensibilisieren, ruft sie 1991 die inzwischen in über 100 Ländern vertretene Aktion „Roots & Shoots“ ins Leben. 2010 – 50 Jahre nach dem Beginn ihrer Schimpansen-Beobachtungen in Tansania – kommt der Dokumentarfilm „Jane’s Journey“ in die Kinos.

Unzählige Titel, Würden, Ehrungen und Auszeichnungen wurden Goodall zuteil. So bekam sie 2006 für ihren Einsatz für die Großen Menschenaffen und ihren Lebensraum in Afrika die Jubiläumsmedaille der Unesco. Auch als Barbie-Puppe gibt es sie.

Es ist nicht nur Goodalls erstaunlicher Lebensweg, der dazu beiträgt, dass sie wie ein Popstar der Umweltbewegung gefeiert wird. Es ist auch die sanfte, aber gewinnende Art, mit der die jugendlich wirkende Britin die Herzen der Menschen erreicht. Seit 2002 reist sie als UN-Friedensbotschafterin um die Welt. Noch immer sei sie 300 Tage im Jahr unterwegs, wohl auch an ihrem Geburtstag, erklärt Yasmin Saruji, Geschäftsführerin des Jane Goodall Instituts Deutschland. Besuche in Afrika, Amerika und Europa sind fest eingeplant.

Goodall mischt sich ein, meldet sich zu Wort – etwa, als es 2012 um ein Patent auf genetisch veränderte Schimpansen geht. Die DNA der Tiere wurde verändert, damit ihr Immunsystem dem des Menschen ähnlicher sein soll, um an ihnen Medikamente zu testen – für Goodall eine „schockierende Vorstellung“. Schließlich setzt sie sich seit vielen Jahren für die Rechte der großen Menschenaffen ein, die den Menschenrechten ähnlich sind: Denn aus ihrer Sicht verfügen diese Tiere über das ganze Spektrum menschlicher Gefühle.

Dass die intelligenteste Spezies Mensch auf der Erde so viel Unheil anrichtet, bekümmert die Britin. Zuversicht geben ihr junge, engagierte Menschen, die sie in aller Welt trifft. Zu Klimaaktivisten erklärte sie 2023 in einem „Zeit“-Interview: „Wenn du willst, dass sich Menschen verändern, darfst du sie nicht anschreien. Du musst dein Herz zeigen, um die Herzen zu erreichen.“

In ihrer Biografie reflektiert Goodall, warum sie ihr Leben so und nicht anders gelebt hat. Schon bevor sie sprechen konnte, besaß sie offenbar eine besondere Verbindung zu Tieren. Nicht einmal ein Jahr alt, beobachtete sie, wie ein gutmeinender Passant eine Libelle totschlug, die ihren Kinderwagen umkreiste und das Kleinkind zu erschrecken schien. Jane schrie daraufhin den ganzen Rückweg. Selbst zu Hause beruhigte sie sich nicht, so dass ihr ein Arzt Beruhigungsmittel gab.

Ohne sich artikulieren zu können, habe sie offenbar verstanden, dass dieses Lebewesen ihretwegen gestorben war, „ich schrie in hilfloser Wut“, schreibt sie rückblickend. Vielleicht habe sie ihr ganzes Leben versucht, diese Schuld zu sühnen – vielleicht sei die Libelle Teil eines Plans und eine Botschaft an das kleine Kind gewesen. „Wenn ja, dann kann ich meinem Gott nur sagen: ‚Botschaft gehört und verstanden‘. Ich habe mich bemüht, ein wenig von der Schuld abzutragen, in der wir alle durch unsere Unmenschlichkeit gegenüber Mensch und Tier stehen.“ Darum werde sie sich bemühen bis ans Ende.