Schäuble: Jüdisches Leben in Deutschland „ein unglaubliches Glück“

Mit einer Feierstunde hat der Bundestag an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 erinnert. Der Bundestagspräsident bekennt sich zu der Verpflichtung, jüdisches Leben vor Angriffen zu schützen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble
Bundestagspräsident Wolfgang SchäubleChristian Ditsch / epd

Berlin. Der Bundestag hat an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert und den Blick auf das vergangene und aktuelle jüdische Leben in Deutschland gerichtet. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte im Parlament in Berlin, das vielfältige deutsch-jüdische Leben sei ein „unglaubliches Glück für unser Land, das wir uns immer wieder neu verdienen müssen“. Es sei auch den vielen jüdischen Zuwanderern zu verdanken, die sich für Deutschland entschieden hätten. Anlass des Gedenktages ist die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.

Schäuble ging auf die Belastungen für Juden in Deutschland durch die weiterbestehenden Traumata durch die NS-Verfolgung und den aktuellen Antisemitismus ein. Es sei „niederschmetternd, eingestehen zu müssen: Unsere Erinnerungskultur schützt nicht vor einer dreisten Umdeutung oder sogar Leugnung der Geschichte“, sagte er. Schäuble erinnerte an das Attentat in Halle, wo die jüdische Gemeinde nur knapp einem mörderischen Anschlag entkommen war.

Teil der deutschen Geschichte

Der Bundestagspräsident betonte, die Geschichte der Juden sei Teil der deutschen Geschichte, der hellen wie der dunkelsten Kapitel. Die deutsch-jüdische Geschichte sei aber auch die Geschichte eines Menschheitsverbrechens, sagte Schäuble, des Versuchs, die jüdische Geschichte nicht nur aus der deutschen, sondern aus der Weltgeschichte zu tilgen. Auschwitz sei zum Sinnbild für den nationalsozialistischen Terror geworden, dem viele Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Schäuble wandte sich an die Überlebenden, die wegen der Corona-Bestimmungen nicht persönlich an der Gedenkstunde teilnehmen konnten und sagte, das Gedenken gelte allen Überlebenden und allen, die sich dem NS-Regime widersetzt hätten. „Wir verneigen uns vor jedem Einzelnen“, sagte er und bekannte sich zu der Verpflichtung des deutschen Staates, jüdisches Leben vor Angriffen zu schützen: „Wir bekennen uns zu einer Zukunft, in der Juden ihr Jüdischsein offen, sichtbar und in unserer Mitte leben.“

1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Seit 25 Jahren erinnert der Bundestag rund um den 27. Januar mit einer Gedenkstunde an die Opfer der Judenverfolgung unter der Nationalsozialisten. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte den Tag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 im Jahr 1996 als Gedenktag proklamiert. In Auschwitz starben rund 1,1 Millionen Menschen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden rund sechs Millionen Juden ermordet.

In diesem Jahr stand die Gedenkstunde im Zeichen des Jubiläumsjahrs zu 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland. Das Jubiläumsjahr erinnert an die erste erwähnte jüdische Gemeinde auf deutschem Boden im Jahr 321 in Köln und soll verdeutlichen, wie lange das Judentum hierzulande heimisch ist. Mit zahlreichen Veranstaltungen soll jüdischer Alltag sichtbar und verständlich gemacht werden. (epd)