Samenkorn gegen Korruption: Stichwahl um Guatemalas Präsidentenamt

Am Sonntag entscheidet Guatemala über sein neues Staatsoberhaupt. Der linke Kandidat Bernardo Arévalo hat der Korruption den Kampf angesagt. Konservative versuchen seine Teilnahme zu verhindern.

Präsidentschaftskandidat Bernardo Arévalo mit Unterstützern in der Stadt Huehuetenango (Foto vom August 2023)
Präsidentschaftskandidat Bernardo Arévalo mit Unterstützern in der Stadt Huehuetenango (Foto vom August 2023)Imago / USA TODAY Network

Beginnt in Guatemala eine neue politische Ära? Umfragen zufolge hat der Antikorruptionspolitiker Bernardo Arévalo gute Chancen, am Wochenende als Sieger aus der Stichwahl um die Präsidentschaft in dem mittelamerikanischen Land hervorzugehen. Der Kandidat der Movimiento Semilla, der Samenkorn-Bewegung, konnte sich im ersten Wahlgang im Juni unerwartet als zweitstärkster Anwärter durchsetzen. Nun muss der 64-Jährige am 20. August gegen Sandra Torres von der zentristischen Partei UNE ins Rennen.

„Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir soweit kommen“, sagt Andrea Reyes, die für die Movimiento Semilla im Parlament sitzt, mit Blick auf die konservativen Kräfte des Landes. Ihre Partei entstand aus einer Bewegung heraus, die sich 2015 gegen die kriminellen Machenschaften von Politikern, Militärs und Unternehmer entwickelt hat. Damals hatte die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) zahlreiche Fälle von Korruption in höchsten politischen Kreisen aufgedeckt, der damalige Präsident Otto Pérez Molina musste zurücktreten.

Guatemala: Konkurrenten wollten linken Kandidaten stoppen

Nach dem erfolgreichen Abschneiden Arévalos bei dem Urnengang am 25. Juni setzten dessen Gegner alles daran, ihren linken Konkurrenten zu stoppen. Neun Parteien forderten, den Ausgang der Wahl zu überprüfen. Obwohl Wahlbeobachter keine Ungereimtheiten entdeckt hatten, ordnete das Verfassungsgericht eine Neuauszählung an, die aber keine anderen Ergebnisse erbrachte. Kurz darauf leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren mit dem Ziel ein, der Samenkorn-Bewegung den Rechtsstatus als Partei abzuerkennen. Auch hier gab das oberste Gericht der Klage grünes Licht.

Kampf gegen „Pakt der Korrupten“

Die Initiative scheiterte jedoch nicht zuletzt an der massiven Kritik, die sie hervorrief. Die Europäische Union und die US-Regierung befürchteten, dass der Wählerwille untergraben werde. In Guatemala-Stadt skandierten Demonstranten: „Nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Volk an den Urnen entscheidet.“ Selbst Arévalos Konkurrentin Torres erklärte, sie würde ihren Wahlkampf wegen unfairer Bedingungen zunächst einstellen.

Kritiker der Regierung betrachten die Angriffe als Teil einer politischen Strategie, um den „Pakt der Korrupten“ zu schützen. Damit sind jene Kreise aus Politik, Armee und Wirtschaft gemeint, die ihrer Meinung nach das Land in Schach halten. „Diese korrupte politische Klasse ist damit konfrontiert, dass sie die Kontrolle über das System verlieren könnte“, erklärte Arévalo selbst.

Auch die Juni-Wahlen standen bereits in der Kritik. Drei oppositionelle Kandidatinnen und Kandidaten durften aus fadenscheinigen Gründen nicht antreten. Unter ihnen befand sich auch die Indigene Thelma Cabrera. Mit ihr verloren die Indigenen, die 45 Prozent der Bevölkerung stellen, ihre aussichtsreichste Kandidatin. Amtsinhaber Alejandro Giammattei von der konservativen Vamos-Partei durfte hingegen nicht erneut kandidieren, weil die Verfassung keine Wiederwahl vorsieht.

Sorge im Ausland

Schon 2019 wurde die Cicig des Landes verwiesen und damit der Aufklärung korrupter Machenschaften ein Ende gesetzt. Journalisten und Juristen, die mit der UN-Kommission kooperiert haben, wurden verfolgt und mussten das Land verlassen. Angesichts dieser Vorzeichen befürchten Beobachter, dass Arévalo selbst bei einem Sieg um die Präsidentschaft gebracht werden könnte. „Es ist kein Geheimnis, dass wir sehr besorgt sind“, erklärte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAE), Luis Almagro, nachdem er Guatemala Anfang August besucht hatte.

Während Arévalo vor allem städtische junge Menschen mobilisieren kann, punktet Torres auf dem Land. Einst als Sozialdemokratin bei Armen für ihre Sozialpolitik beliebt, fährt die 67-Jährige heute einen konservativen Kurs und propagiert eine repressive Sicherheitspolitik. Im ersten Wahlgang konnte sie mehr als 15 Prozent der Stimmen für sich gewinnen, Arévalo kam auf knapp zwölf Prozent. Sollte der Linkspolitiker gewinnen, dürften seine Handlungsoptionen dennoch beschränkt sein. Auf kommunaler Ebene und im Bundesparlament dominieren jene Parteien, die dem von ihm als „Pakt der Korrupten“ bezeichneten Kreis verbunden sind.