Ein Trend bereitet Pro-Europäern Sorge: Ausgerechnet in den Nachbarländern der Ukraine nehmen Ressentiments gegen das angegriffene Land zu. Werden die östlichen EU-Staaten zum Spielball zwischen Brüssel und Moskau?
Die Slowakei blockiert weiter das 18. EU-Sanktionspaket gegen Russland. Am Mittwoch scheiterte der erhoffte Durchbruch in Brüssel abermals an dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der um seine Versorgung mit günstigem Gas aus Russland fürchtet. Kritiker sehen noch andere Motive hinter der Blockade: Der Regierungschef sei zu einer Marionette Moskaus geworden, das seinen Einfluss auf die östlichen EU-Länder stetig ausweite.
Die EU will sämtliche Gas-Importe aus Russland bis Anfang 2028 stoppen. Das dürfte laut Fico nicht nur massive Teuerungen für slowakische Haushalte mit sich bringen. Auch drohten der Slowakei Strafzahlungen, sollte sie den Hahn voreilig zudrehen. “Die beste Lösung wäre, der Slowakei eine Ausnahme zu gewähren, die ihr ermöglicht, ihren Vertrag mit dem russischen Gazprom bis zu dessen Ablauf 2034 zu erfüllen”, meint Fico. Davon wolle er die Zustimmung seines Landes zu den Russland-Sanktionen abhängig machen. Das Maßnahmenpaket kann durch das Veto eines einzigen Landes blockiert werden. Zuletzt kündigte auch Malta Bedenken an.
Fico verfolgt nach eigenen Angaben eine “Politik in alle vier Himmelsrichtungen”. Diese fällt allerdings Beobachtern zufolge immer mehr zugunsten Moskaus aus. In der Slowakei stößt Ficos Konfrontation mit der EU auf Widerstand. “Er hat in Brüssel nichts für die Slowakei ausverhandelt. Alles, was er geschafft hat, war, unseren Ruf zu schädigen, Schande über das Land zu bringen und letztlich die Kapitulation zu erklären”, kritisiert Oppositionsführer Michal Simecka von der Partei Progressive Slowakei (PS).
Auch in der Nachbarschaft lässt Ficos Außenpolitik die Wogen hochgehen. Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala appellierte an seinen Amtskollegen, den Weg für die Russland-Sanktionen freizugeben – nur um sich eine Schelte der slowakischen Regierungspartei Smer zu holen: Man sei “keine Abstimmungsmaschine Brüssels”, nur weil der tschechische Regierungschef dies wolle, so ein Sprecher. Fiala wiederum betonte: Es liege ihm fern, sich in slowakische Entscheidungen einzumischen – “aber hier handelt es sich um eine Entscheidung, die die Sicherheit ganz Europas betrifft”.
Tschechien und die Slowakei sind historische Verbündete; bis 1993 bilden sie gemeinsam die Tschechoslowakei. Dennoch könnte ihr Kurs gegenüber Russland und der Ukraine kaum unterschiedlicher sein. Während Bratislava seine Rüstungsexporte in das angegriffene Land stoppte, stellte Prag der Ukraine im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Geschosse zur Verteidigung bereit.
Die Munitionsinitiative der Regierung macht Tschechien immer wieder zum Ziel hybrider Angriffe aus Moskau. So warnte der tschechische Geheimdienst in seinem jüngst veröffentlichten Jahresbericht 2024 vor “verstärkter russischer und chinesischer Spionage”. Russland animiere Migranten, Straftaten zu begehen mit dem Ziel, Angst zu verbreiten und das Vertrauen in westliche Regierung zu untergraben, heißt es dort. Am Montag berichtete das Portal Visegrad Insight von der Festnahme eines 52-Jährigen, der unter russischer Anleitung einen Terrorangriff auf eine Militäranlage geplant habe.
Auch in ein anderes Nachbarland der Slowakei streckt Moskau immer weiter seine Fühler aus – mit Erfolg. In Ungarn steuert Ministerpräsident Viktor Orban auf Parlamentswahlen in neun Monaten zu. Seine Kampagne stützt der umstrittene Regierungschef auf anti-ukrainische Stimmung. “Besonders Fidesz-Anhänger betrachten die Ukraine als größte Bedrohung für Ungarn”, berichtete vorige Woche das US-Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center.
Hinzu kommen regierungstreue Medien, die mit russischer Propaganda gefüttert werden – allem voran bei der Berichterstattung über das angegriffene Nachbarland. Dazu schreibt das regionale Fachportal VSquare: “In den seltenen Fällen, in denen sie tatsächlich ‘berichten’, geschieht dies in der Regel von der anderen Seite der Front aus – dank der Hilfe der russischen Behörden, einschließlich ihrer Geheimdienste.”