Rat der Europäischen Bischofskonferenzen zieht nach Rom um

Durch dieses Gremium sollen Europas katholische Bischöfe mit einer Stimme sprechen. Aber: Geht das überhaupt? Ein Umzug nach Rom soll nun mehr Relevanz verschaffen.

Europa als Friedensmotor: Dieses Schlagwort hat in den vergangenen Jahrzehnten auch die Bischöfe des Kontinents zu stärkerer Vernetzung ermuntert. Die nationalen Bischofskonferenzen schufen sich 1971 eine Vertretung im Rat der Bischofskonferenzen Europas (CCEE). Inzwischen herrscht wieder Krieg im Osten; in vielen Ländern drohen Stimmungen hin zum Schlechten zu kippen. Stimmen, die den Frieden fördern, werden dringend gebraucht.

In schwieriger Zeit hat sich der CCEE (lat. Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae) entschieden, aus dem beschaulichen Sankt Gallen ins Zentrum der Weltkirche umzuziehen: nach Rom. Am Mittwoch (20. März) ist der offizielle Umzugstermin. Damit einhergehen soll eine deutliche Aufwertung dieser bislang eher unscheinbaren Institution. Erklärtes Ziel: der Kirche in Europa eine gemeinsame Stimme zu geben.

Es war eine Zeit der Auf- und Umbrüche: Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) wurden große Teile der Weltkirche vom Geist der „Synodalität“ erfasst. Teilhabe, Mitbestimmung als selbstbewusste Glieder der einen Kirche – das wollten die Laien in ihren Gemeinden, aber auch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel. Und sie wollten „in die Welt hineinwirken“, wie es damals hieß; in den „Fragen der Zeit“ als Christen mitsprechen.

Mit dieser Absicht fand im März 1971 in Rom die CCEE-Gründungsversammlung statt. Ziel war, die Zusammenarbeit der katholischen Bischöfe auf dem Kontinent zu fördern – zu einer Zeit, als der Eiserne Vorhang noch sehr eisern und der Kalte Krieg noch sehr kalt war. Eine schwere Aufgabe für den Gründungsvorsitzenden, Erzbischof Roger Etchegaray von Marseille.

Es gab ein leuchtendes Beispiel, das damals Furore machte: der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM („Consejo Episcopal de Latinoamericano“), ein Zusammenschluss von 22 nationalen Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik. Der CELAM verstand als seine Aufgabe, der Kirche in den Mitgliedsländern theologische und pastorale Impulse zu geben und Kontakte zwischen den Mitgliedern herzustellen.

Papst Pius XII. hatte die Gründung bereits 1955 genehmigt – und der Bischofsrat gab der Kirche in Lateinamerika Impulse. Die Vollversammlungen in Medellin (1968) und Puebla (1979) beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der „Theologie der Befreiung“ und ihrer vorrangigen Option für die Armen; in einer Zeit blutiger Bürgerkriege und Militärdiktaturen, in denen katholische Bischöfe lange, zu lange auf der Seite der Mächtigen gestanden hatten.

Eine solch große Wirkungsgeschichte war dem CCEE nicht beschieden. Nicht nur, weil die Sprachen vielfältiger, die Kommunikation durch den Eisernen Vorhang schwierig und die politischen und sozialen Realitäten zwischen Ost und West äußerst unterschiedlich waren. In Westeuropa griff bereits die Säkularisierung Raum; im Osten herrschte Unterdrückung der Kirche vor. Das Zeitalter der Volkskirche ging, anders als in Lateinamerika, in Europa bereits ihrem Ende entgegen; die Gestaltungskraft der Kirche wurde dadurch beschnitten.

Dazu kam als eine Art interne „Konkurrenz“ die EU-Bischofskommission COMECE. Sie entstand 1980, ein Jahr nach den ersten Direktwahlen des Europaparlaments. Das Sekretariat der COMECE ähnelt als Verbindungsstelle zur EU-Politik den Katholischen Büros in Deutschland: Kirchenvertreter halten Kontakt zu Parlamenten und Regierungen und versuchen, Politik im Sinne der kirchlichen Lehre mitzugestalten. Die politische Wende 1989/90, der Fall des Eisernen Vorhangs und die einsetzende EU-Osterweiterung (2004-2013) gaben eher der COMECE die Chance, vor Ort in Brüssel die europäische Integration in Sachfragen voranzutreiben.

Wichtige Erfolge hat der CCEE in Sankt Gallen allerdings im Bereich von Ökumene und interreligiösem Dialog erzielt. Er kooperiert eng mit der evangelischen und orthodoxen Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Diese Zusammenarbeit führte zu bislang drei Europäischen Ökumenischen Versammlungen – 1989 in Basel, 1997 in Graz und 2007 in Sibiu (Hermannstadt) – sowie zu fünf katholisch-orthodoxen Foren. Ein gemeinsames Ökumenepapier ist die Charta Oecumenica von 2001.

Dem CCEE gehören derzeit 39 Mitglieder an: 33 Bischofskonferenzen von Portugal bis Russland, dazu der Apostolische Administrator von Estland sowie Vertreter aus dem Erzbistum Luxemburg, dem Fürstentum Monaco, aus Moldawien, Zypern und der Ukraine. Repräsentiert wird der Rat von einem gewählten Präsidenten und zwei Stellvertretern.

Vorsitzender ist der Erzbischof von Vilnius und Vorsitzende der Litauischen Bischofskonferenz, Gintaras Linas Grusas (62) – nach dem ungarischen Primas Kardinal Peter Erdö (2006-2016) wieder ein Mittel-Ost-Europäer. Litauen bläst derzeit der Wind des Ukraine-Krieges und der europäischen Migrationskrise an der Grenze zu Belarus besonders ins Gesicht.

Grusas zur Seite stehen zwei Stellvertreter: der serbische Belgrader Erzbischof und Vorsitzende der internationalen Bischofskonferenz der Heiligen Kyrill und Method (CEICEM), Laszlo Nemet (67), ein Vertreter der slawischen Kirchentradition; und der Luxemburger Jesuit und Kardinal Jean-Claude Hollerich (65). Er ist nicht nur ein Ordensbruder und Vertrauensmann von Papst Franziskus, sondern auch ehemaliger COMECE-Vorsitzender. Er soll für die notwendige Verzahnung mit der „Konkurrenz-Organisation“ in Brüssel sorgen. So aufgestellt und von Rom aus soll es nun etwas werden mit der einen Stimme der Kirche in Europa.