Queer und muslimisch: Mali hofft auf Zukunft von Berliner Moschee
Mali hat sich vor einem Jahr bei seinen Eltern geoutet. Seine Mutter tut sich bis heute schwer damit. Doch die Ibn Rushd-Goethe Moschee hat Mali geholfen. Die Schließung macht ihn traurig.
Muhammet Ali Doganay, kurz Mali, geht offen mit seiner Homosexualität um. Auf Instagram postet der Münchener Lehramtsstudent mit türkischen Wurzeln Bilder und Videos vom Amsterdam Gay Pride, darunter den Hashtag „#gay“. Auf vielen Fotos zeigt Mali sich mit seinem Freund Dustin. Die beiden sind seit zwei Jahren ein Paar.
Seinen tief religiösen Eltern hat Mali erst vor etwa einem Jahr erzählt, dass er schwul ist. Die Reaktion, gerade von seiner Mutter, war nicht die, die er sich erhofft hatte: „Sie sagte, dass ich sündige, in die Hölle komme, krank bin und therapiert werden muss“. Mali zweifelte an seinem Glauben. Und an Gott. „Ich dachte: Wie kann es einen Gott geben, der mich so erschaffen hat?“
Telefonat mit Imam Mohamed El-Kateb änderte alles
Nach dem Coming-Out fiel Mali in ein Loch, wie er heute erzählt. Geholfen hat ihm in dieser schweren Phase Mohamed El-Kateb, Imam der liberalen
Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, die kürzlich verkündete, wegen vermehrter Anfeindungen und einer Terrordrohung für mindestens ein Jahr schließen zu müssen.
„Als ich das gelesen habe, habe ich mich im Stich gelassen gefühlt“, erinnert sich Mali. „Nicht von der Moschee, sondern von der Politik“. Dass die Moschee gerade jetzt schließen muss, in einer Zeit zunehmender Spaltung der Gesellschaft, steigendem Antisemitismus und Fremdenhass, schockiert den 27-Jährigen. Vorwürfe macht er vor allem Politikern wie Friedrich Merz (CDU), die mit Aussagen wie „kleinen Paschas“ und „Sozialtouristen“ die Stimmung im Land aufheizen würden.
Endlich einen Ort des liberalen Islams gefunden
Unter den Instagram-Post der in der Moschee ansässigen Anlaufstelle für Islam & Diversity (AID) schreibt Mali: „Mein Herz hat mit jeder Zeile geblutet. Hoffe sehr, dass ihr es schafft zu wachsen, gedeihen und aufzublühen! Danke für all die Arbeit die ihr leistet. Vor knapp zwei Jahren habt ihr mein Leben gerettet. Möge Gott euch Kraft geben.“ Dazu ein weinendes Emoji und betende Hände.
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Von der Moschee hat Mali zum ersten Mal 2017, bei einem Aufenthalt in der Türkei. Die Zeitungen dort hätten die Eröffnung der Moschee zerrissen, erinnert er sich. Für ihn war sie das Gegenteil: Ein Lichtblick, dass es einen Ort des liberalen Islams gebe. Einen solchen Ort vermisst der gebürtige Augsburger in München und Umgebung.
Seit der Eröffnung folgt Mali der Moschee und der Anlaufstelle AID auf Instagram. Einiges von dem Hass, der der Moschee entgegen kam, habe er in den Kommentarspalten selbst miterlebt. Persönlich war Mali nie in der Moschee. „Leider“, wie er sagt. Das Studium, der Job, die weite Entfernung von München nach Berlin.
Aber: Über das Profil habe er einige interessante und inspirierende Accounts entdeckt. Zum Beispiel die „Kurdische Queen“ – eine muslimische Drag-Queen, die auf Instagram etwa ihre Straßenumfragen filmt zu Fragen wie: „Darf man als Muslim homosexuell sein?“
Homosexualität ist keine Sünde – auch im Islam nicht
Das Telefonat von damals mit Imam Mohamed El-Kateb habe ihn nachhaltig geprägt und ihm Kraft gegeben, erzählt Mali. Er ist selbstbewusst geworden, nimmt sich so an, wie er ist. „Ich hatte Angst, das Fundament meines Glaubens zu verlieren“, erinnert sich Mali an den Zeitpunkt des Gesprächs. El-Kateb habe ihm deutlich gemacht, dass Homosexualität keine Sünde sei. Dass Gott ihn trotzdem und selbstverständlich liebe.
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Heute geht es Mali besser – auch wenn seine Sexualität in der Beziehung zu seiner Mutter nach wie vor ein Problem ist. „Aber wir sehen uns regelmäßig und dann umarmen wir uns auch.“ Lieben würden sie sich trotzdem, ist Mali sich sicher.
Hoffen, dass es weitergeht mit der Arbeit der Moschee
In seinem Alltag erfährt Mali auch manchmal Hass. Seit er mit seinem Freund zusammen ist, mehr. „Weil wir uns ja offen zeigen“, erzählt er. Manchmal werde ihnen auf der Straße hinterher gerufen. „Queer sein in Bayern ist nicht so einfach“, findet Mali. Manchmal habe er auch schon auf Social Media mit entsprechenden Kommentaren umgehen müssen. In solchen Fällen stellt Mali die Menschen aber gern zu Rede, wie er sagt. Manchmal zeigten sie dann Einsicht. Manchmal auch nicht. Dann würden sie eben geblockt, berichtet Mali und zuckt gelassen die Schultern.
In der Vergangenheit habe er auch immer mal wieder Sticker bei der Berliner Anlaufstelle AID bestellt mit den Worten „Liebe ist halal“ und sie in München auf Litfaßsäulen geklebt. „Und wenn die jemand abgerissen hat, haben wir sie ganz provokant wieder und wieder draufgeklebt“, erzählt Mali und lacht.
Er hofft und wünscht sich, dass die Arbeit der Moschee von Seyran Ates irgendwie weitergehen kann. Die Online-Angebote will der Student auf jeden Fall wahrnehmen. Sowohl für die Politik als auch für die Gesellschaft müsse die Schließung ein Warnsignal sein, meint Mali. Die Politik sollte die Gemeinde jetzt unterstützen, auch finanziell. Und die Menschen? Die müssten ihre Stimme erheben, auf die Straße gehen, Solidarität zeigen. Um einer lauten Minderheit gegenzuhalten.