Problematische Zuschnitte
Schleswig-Holstein bekommt eine neue Regierung. Was sie vorhat, steht auf 249 Seiten im Koalitionsvertrag. Nicht alles daran gefällt Landespastor Heiko Naß.
Rendsburg. Schleswig-Holsteins Diakonie-Chef Heiko Naß hat den Zuschnitt der Ministerien der neuen schwarz-grünen Landesregierung in Teilen kritisiert. Mit der neuen Landesregierung wandert etwa das Ressort Gesundheit ins Justizministerium, und das Ressort Pflege bleibt im Sozialministerium. „Beide Ressorts haben viele Schnittstellen. Um Vorhaben durchzusetzen, bedarf es künftig oftmals Abstimmungen in zwei Ministerien. Das halte ich für problematisch“, sagte Naß dem epd.
Als Beispiel nannte Naß die Schnittstelle zwischen Krankenhäusern und der Pflege. „Die müssen wir künftig viel weiter ausbauen“, so Naß. Betroffen sei etwa die Einrichtung von Kurzzeitpflegeplätzen in Krankenhäusern. Außerdem hält Naß medizinische Anlaufstellen im ländlichen Raum für sinnvoll, die ebenfalls Kurzzeitpflegeplätze bereithalten. Momentan lägen ältere Menschen nach einem Schwächeanfall sechs bis acht Stunden in der meist überfüllten Notaufnahme eines Krankenhauses, bis sie versorgt werden. „Eine wohnortnahe Anlaufstelle mit Kurzzeitpflege wäre die bessere Lösung“, so Diakonie-Chef Naß.
Schnittstellen fördern
Auch den Umzug des Ressorts Europa vom Justizministerium ins Landwirtschaftsministerium sieht Naß kritisch. „In der Vergangenheit haben wir viele soziale Projekte rund um die Ostsee initiiert. Es wird einer Kraftanstrengung bedürfen, Europa und Soziales im Landwirtschaftsministerium zusammen zu denken.“ Es sei Aufgabe der Landesregierung, solche Schnittstellen zwischen den Ministerien zu fördern und gut zu organisieren.
Auf die Zusammenarbeit mit Aminata Touré (Grüne) als Sozialministerin freut sich der Diakonie-Chef. „Sie ist eine kompetente Fachpolitikerin und eine verlässliche Gesprächspartnerin.“ In die Themen Integration, Gleichstellung und Diskriminierung habe Touré sich schon tief eingearbeitet. „Mit gleicher Akribie wird sie sich auch in weitere Themen einarbeiten, davon bin ich überzeugt“, so Naß.
Die Diakonie unterstützt zudem die Pläne der Regierung zu Wohnungsbau, Kinderarmutsbekämpfung und Fachkräftegewinnung. Dem Koalitionsvertrag zufolge wollen CDU und Grüne 15.000 neue Wohnungen pro Jahr schaffen. „Ich finde es gut, aber ambitioniert. An dieser Zahl wird sich die Regierung messen lassen müssen“, so Naß.
Politik gefragt
Im Kampf gegen Altersarmut wünscht sich Naß ein stärkeres Engagement der Politik. Viele Menschen würden im Niedriglohnsektor arbeiten und könnten nicht auf ein entsprechendes Vermögen zurückgreifen, wenn sie schließlich einen Platz im Pflegeheim bezahlen müssten. Die Selbstbeteiligung für einen Heimplatz liege im Schnitt bei 2.400 Euro und werde weiter steigen. Eine Erhöhung des Bundeszuschusses sei notwendig, so Naß. Außerdem brauche es zur Vorbeugung des Fachkräftemangels einen Tarifvertrag für alle in der Pflege arbeitenden Menschen. „Die Refinanzierung eines solchen Vertrags ist aber noch nicht gelöst.“
Die Diakonie unterstützt auch die angekündigten Pläne, zusätzliche Fachkräfte für den Erziehungsbereich zu gewinnen, so der Landespastor. Dabei sei es aber wichtig, die gesamte Kinder- und Jugendhilfe im Blick zu haben. So unterhält die Diakonie in Schleswig-Holstein rund 1.500 Plätze für Jugendliche in Wohngruppen, die einem strengen Betreuungsschlüssel unterliegen. „Inzwischen können wir schon nicht mehr alle Wohngruppen aufrechterhalten, weil uns das Personal fehlt“, so Naß. (epd)