Poseck fordert “Trendumkehr” in der Migrationspolitik
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) hat nach den gescheiterten Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der Union eine „Trendumkehr in der Migrationspolitik“ gefordert. Dadurch könnten Staat und Gesellschaft entlastet werden. Poseck bedaure es, dass keine gemeinsame Lösung gefunden wurde, teilte das hessische Innenministerium am Mittwoch in Wiesbaden mit. Poseck hatte sich demnach während einer Debatte im Hessischen Landtag zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen von CDU und SPD geäußert, der die innere Sicherheit des Landes zum Thema hat.
Das von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Modell für Zurückweisungen das vorsieht, in grenznahen Einrichtungen beschleunigte Dublin-Verfahren vorzunehmen, sehe Poseck kritisch. „Sie werden aus meiner Sicht nicht die erforderliche Entlastung bringen. Sie bedeuten stattdessen neue Aufwände und viele offene Rechtsfragen“, sagte Poseck. Es brauche „das Stoppschild“ vor, nicht nach der Grenze. Auf Bundesebene fordern CDU und CSU pauschale Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, wenn ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Die Bundesregierung lehnt das wegen europarechtlicher Regelungen ab.
Der Grund dafür, dass sich die hessische Politik verstärkt mit den Themen innere Sicherheit und Migration beschäftigt, hat auch mit dem islamistischen Terroranschlag von Solingen und dem aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes für das Jahr 2023 zu tun. Konkret heißt es in dem gemeinsamen Antrag von CDU und SPD, dass der Landtag den Bericht besorgt zur Kenntnis nehme, der „eine angespannte Sicherheitslage vor allem durch den Anstieg von islamistischen Straftaten und rechtsextremer Gewalt- und Straftaten“ aufzeige. Das Innenministerium teilte zur Vorstellung des Berichts Anfang September mit, dass die Zahl extremistischer Straf- und Gewalttaten in Hessen 2023 stark angestiegen sei.
Insgesamt seien 1.881 Taten in diesem Bereich registriert worden. Mit 1.445 Straf- und Gewalttaten stammte das Gros der Delikte aus dem Bereich Rechtsextremismus, ein Höchststand im Zehn-Jahres-Vergleich. Auf den Bereich Islamismus entfielen im vergangenen Jahr laut Innenministerium 146 Straf- und Gewalttaten. Im Vergleich zu 2022 habe sich diese Zahl mehr als vervierfacht. Islamistisch motivierte Taten wie Solingen stellten „leider keine Einzelfälle mehr dar“, heißt es im Antrag von CDU und SPD weiter. Dem gelte es als Rechtsstaat „entschlossen entgegenzutreten“. Gefordert werden unter anderem mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und ein verschärftes Waffenrecht.
Moritz Promny, der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, monierte laut Mitteilung, dass islamistische Gefährder und islamistisch motivierte Straftäter „konsequent überwacht und – wenn die Voraussetzungen vorliegen – abgeschoben werden“ müssten. Es müsse aufhören, dass Abschiebungen scheitern, weil die betroffenen Personen untergetaucht oder nicht anzutreffen waren. Die FDP fordere eine Erweiterung der Abschiebehaft sowie die Schaffung von Rückführungszentren, heißt es.
Laut gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU und SPD solle deutlich gemacht werden, dass „Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft nicht unter Generalverdacht gestellt werden“ dürften. Es brauche präventive Angebote, um zu verhindern, dass sich mehr Menschen radikalisieren. „Dazu gehören eine umfassende Bildungs- und Integrationspolitik, die Menschen unterschiedliche Perspektiven eröffnet und Teilhabe ermöglicht, sowie gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung von religiösem Fundamentalismus, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus“. Es sei eine bundesweite Anpassung in der Migrations- und Integrationspolitik nötig, „ohne die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zu verletzen“.
Im laufenden Jahr seien bisher etwa 9.500 Asylbewerber nach Hessen gekommen. Zur Regelung der Migration es sei es erforderlich, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu verlagern, mehr sichere Herkunftsstaaten zu bestimmen, Abschiebe- und Haftmöglichkeiten auszuweiten und die Dublin-Regeln der EU „konsequent umzusetzen“. Die Beschränkung der Migration auf „asylberechtigte Schutzbedürftige, die unsere Gesetze und Werte achten, verhindert eine Entwertung des Asylrechts“, so CDU und SPD. Der Antrag wurde an den Innenausschuss überwiesen.