In die Debatte um ein Ende des Ukrainekriegs ist wieder Bewegung gekommen. Ein Politikwissenschaftler fordert einen realistischen Blick auf die Lage. Eine Grenzverschiebung sei nicht zu verhindern.
Ein Ende des Angriffskriegs auf die Ukraine wird nicht ohne territoriale Veränderungen möglich sein. Das wisse jeder und sei seit Langem klar, sagte Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg, am Samstag im Deutschlandfunk. Auch lege eine Formel auf dem Tisch, die das für beide Seiten gesichtswahrend ermöglichen könnte.
Dabei gehe es um eine De-jure- und eine De-facto-Anerkennung, so Varwick weiter. Die Ukraine könne, dürfe und solle das nicht de jure – also förmlich und vollständig – anerkennen. “Aber man wird nicht drumherum kommen, sich den ‘schmutzigen’ Realitäten zu beugen.” Es sei nicht realistisch, dass die Ukraine die Krim oder den Donbass zurückbekomme.
Varwick sagte auch: “Natürlich ist es eine fürchterliche Option, aber auch eine fürchterliche Realität.” Aber es gibt nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers keine Chance, die Gebiete, die Russland völkerrechtswidrig besetzt hält, militärisch zurück zu gewinnen. Auch werde die Ukraine dauerhaft dem russischen Druck nicht standhalten können. Trotz anerkannter Grenzen aus dem Jahr 1991 sei eine Grenzverschiebung nicht zu verhindern.
Das müsse auch bei Verhandlungen beachtet werden, die nicht mit Maximalforderungen überfrachtet werden sollten. In diesem Zusammenhang übte Varwick Kritik an Europa, denn von dort kämen keine realistischen Vorschläge. Allerdings, so Varwick, sei der Weg zum Frieden erkennbar. “Ich denke, dass wir in einem diplomatischen Endspiel sind.”