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NRW-Theater gedenken der Opfer der Pogromnacht 1938

Neben Politik, Kirchen und Verbänden erinnern auch zahlreiche Theater in Nordrhein-Westfalen an die nationalsozialistischen Gräuel in der Pogromnacht vor 87 Jahren. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland insgesamt rund 1.400 Synagogen und Bethäuser der jüdischen Gemeinden niedergebrannt, mehr als 7.500 jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört, 30.000 Menschen wurden verhaftet und hunderte vom aufgestachelten Mob ermordet. Die Pogromnacht gilt als Beginn der Shoah und des organisierten Massenmords im nationalsozialistischen Deutschland und in Europa.

Bereits am Donnerstag (6. November) wirken Ensemblemitglieder des Oberhausener Stadttheaters bei der offiziellen Gedenkveranstaltung in der Synagoge mit. Die Künstlerinnen und Künstler erinnern unter anderem mit einer Lesung an die Pogromnacht, die aufgrund zerschlagener Schaufensterscheiben auch lange – und verharmlosend – als „Reichskristallnacht“ bezeichnet wurde.

Am Samstag befasst sich das artensemble-Theater in Dortmund auf einer Veranstaltung der Auslandsgesellschaft in der Performance „Beyond the Lines“ mit Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus und der Frage nach einem gesellschaftlichen Raum jenseits von Ausgrenzung und Feindbildern. Die Performance entstand auf Grundlage von Interviews mit Experten, Gemeindemitgliedern und Religionsfremden. Daraus wurde ein Theaterabend erstellt, der ständig aktualisiert wird und neben den Anschlägen auf jüdische Gotteshäuser in Deutschland wie in Hanau und Halle auch den Nahost-Konflikt mit einschließt.

Am Sonntag (9. November) sind auch Schauspieler des Theaters Bonn und die Musiker des Beethovenorchesters Bonn lesend und musizierend dabei, wenn im Opernhaus mit einem Konzert der Opfer der Pogromnacht gedacht wird. Alleine in Bonn wurden in jener Nacht 1938 fünf jüdische Gotteshäuser in Brand gesteckt.

Das Grillo-Theater in Essen lädt für Sonntag zu einer Produktion mit dem Titel „Lebendige Stolpersteine ein“. Dabei handelt es sich nach Angaben von Theatersprecherin Maria Hilber um einen theatralen Gang durch die jüdische Geschichte der Revierstadt. Die Produktion findet im Rahmen des Festivals für jüdische Musik, „Tikwah“, und zusammen mit der Alten Synagoge Essen statt, die in der Pogromnacht 1938 und in den nachfolgenden Jahren nicht zerstört wurde. Ensemble-Mitglieder des Theater werden die bewegte und verhängnisvolle Geschichte jüdischer Bewohner sowie anderer Verfolgter im nationalsozialistischen Deutschland und ihr Wirken ins Zentrum rücken.

Im Stadttheater Aachen steht am Samstag und 19. November das Stück „Blutbrot“ von Mirjam Unterthiner auf dem Spielplan. Das Stück hat in diesem Jahr den Kleist-Förderpreis gewonnen und richtet den Blick auf ein wenig bekanntes Kapitel der Geschichte, die sogenannte „Rattenlinie“. Über diese Fluchtroute entkamen nach den Zusammenbruch des Nazi-Regimes nach 1945 hochrangige NS-Verbrecher und Massenmörder wie der berüchtigte KZ-„Arzt“ Josef Mengele oder auch Adolf Eichmann, der Mitorganisator von Verfolgung, Vertreibung, Deportation und Ermordung an Juden in Europa. Sie flüchteten über den alpinen Brennerpass nach Italien und von dort weiter in die Welt. Das Stück verhandelt die verdrängte Schuld, die in dieser Landschaft eingeschrieben ist, und fragt nach der Verantwortung heute.

Am Freitag steht auf dem Programm des Wuppertaler Schauspiels das Solo-Stück „Sophie Scholl“, in dem Vergangenheit und Gegenwart ebenso ineinanderlaufen, wie die Gedanken der historischen Sophie Scholl. Die Studentin und Widerstandskämpferin war 1943 von den Nationalsozialisten in München hingerichtet worden. Die Inszenierung entstand in Kooperation mit der Schauspielschule „Der Keller“ in Köln.

Am 17. und 18. Dezember spielt das Düsseldorfer Schauspielhaus das Stück „Blindekuh mit dem Tod“ nach der gleichnamigen Graphic Novel, die vom Czernowitzer Museum für die Geschichte und Kultur der Juden in der Bukowina vorbereitet worden war. Sie handelt von jüdischen Kindern aus Czernowitz vor und während des Zweiten Weltkriegs. Nach glücklichen Tagen und zerbrochenen Träumen stand für sie das „Überleben in der Hölle“ eines KZ. Eines der Kinder war Herbert Rubinstein, heute Mitglied der Jüdischen Gemeinde in der NRW-Landeshauptstadt. Das Stück mit Texten von Überlebenden ist nach Angaben des Theaters „keine Erzählung über die Schoah“, sondern eine „über gestohlene Kindheit“.