Neuer Friedensbeauftragter der EKBO

Jahrelang war das Amt in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz vakant, nun übernimmt Jan Kingreen von der Potsdamer Garnisonkirche.

Jan Kingreen ist Pfarrer am Turm der Garnisonkirche in Potsdam und neuer Friedensbeauftragter der EKBO.
Jan Kingreen ist Pfarrer am Turm der Garnisonkirche in Potsdam und neuer Friedensbeauftragter der EKBO.Bianca Evers

Bischof Christian Stäblein hat Sie auf der Frühjahrssynode ins Spiel gebracht als künftigen Friedensbeauftragten der Landeskirche. Die Kirchenleitung beauftragte Sie dann am 28. April einstimmig mit dieser Aufgabe. Hat Sie der Vorschlag des Bischofs überrascht?
Jan Kingreen: Ich freue mich sehr, dass sich die Synode, die Kirchenleitung und der Bischof dafür stark gemacht haben. Damit wird das gegenwärtig so wichtige Thema Frieden mit einem Ort verbunden, dessen inhaltliches Profil Friedensarbeit und Demokratiebildung ist. Das gibt dem Projekt Rückenwind. Die Kombination aus Thema und Ort leuchtet offenbar vielen Entscheidungsträgern in der Kirche unmittelbar ein.

Worin sehen Sie die Kernaufgaben eines Friedensbeauftragten?
Das Amt vernetzt die vielen einzelnen Projekte unserer Landeskirche zum Thema Frieden, die teilweise deutschlandweite Beachtung erfahren, und verstärkt ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Es soll die Zusammenarbeit mit den anderen Landeskirchen und der EKD weiter intensivieren und die verschiedenen Meinungen, die sich ja auch in der Gesamtgesellschaft abbilden, miteinander ins Gespräch bringen. Dies ist gerade auch mit Blick auf die Generationen und ihrer sehr verschiedenen religiösen Sozialisation wichtig.

Welche Kompetenzen sind dafür erforderlich?
Bei diesem Dialog geht es weniger ums gegenseitige Überzeugen als ums Zuhören, Ernstnehmen und Aushalten der jeweils anderen Positionen – wie man das in liberalen Demokratien in der Regel tut. Um das Amt so auszufüllen, benötigt es Vernetzungs- und Diskurskompetenz und eine in der Gegenwart verankerte Theologie.

In der Garnisonkirche wurden Soldaten gesegnet. Sind die Geschichte und die Diskussionen rund um den Gedenkort eine Belastung für das Amt – oder eine Chance?
Aus der Geschichte der Garnisonkirche, zu der neben der Nutzung der Kirche in Preußen und während der NS-Zeit ja auch die Zeit zwischen 1945 und der Sprengung durch die SED 1968 sowie die umstrittene Wiederaufbaugeschichte in diesem Jahrhundert gehört, ergeben sich zwei Schwerpunkte, die gegenwärtig kaum relevanter sein könnten: Friedensarbeit und Demokratiebildung. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Amt und der Turm der Garnisonkirche als Friedens- und Demokratiezentrum gegenseitig bereichern werden. So wird nicht nur das Profil dieses Ortes weiter gefestigt, sondern auch der Friedensarbeit ein fester Dialogort jenseits der Kirchenämter zugewiesen.

Waffen scheinen seit der „Zeitenwende“ zum Friedensarsenal zu gehören. Wie stehen Sie zu Waffenlieferungen in die Ukraine?
Jede diplomatische Möglichkeit muss Vorrang vor Waffenlieferungen haben. Doch braucht es dafür einen verlässlichen Gesprächspartner auf der einen und das überfallene Land auf der anderen Seite. Einen Diktatfrieden ohne die Ukraine zu verhandeln, hat mit gerechtem Frieden nur wenig zu tun. Und anders als einst in der Garnisonkirche geht es hier ja nicht darum, Waffen für einen Angriffskrieg bereitzustellen. Vielmehr wurde ein Land in Europa angegriffen und bittet um Hilfe bei der Selbstverteidigung. Hier soll das Recht des Stärkeren über die Stärke des Rechts gestellt werden. Da halte ich es – auch und gerade vor dem Horizont der Bergpredigt – für geboten, diese Verteidigung zu unterstützen und die Friedensordnung wiederherzustellen. Kriterien für den Einsatz rechterhaltender Gewalt haben wir ethisch ja. Sollte die Ukraine diesen Angriffskrieg zudem verlieren, wird es im Osten Europas bei Ländern wie Polen, die die technischen Voraussetzungen dafür haben, zu einer massiven nuklearen Aufrüstung kommen. Auch das kann niemand wirklich wollen.

Und was halten Sie vom Asylrecht für Kriegsdienstverweigerer aus anderen Ländern, zum Beispiel aus der Ukraine, oder aus Russland?
Wenn Menschen aus Gewissensgründen den Dienst im Krieg verweigern und aus Angst vor Repressionen flüchten, sollten sie in Europa Asyl erhalten. Dies gilt insbesondere, wenn davon ausgegangen werden muss, dass sie im Einsatz an Kriegsverbrechen beteiligt wären. Wenn ich es recht sehe, wäre das ja auch jetzt schon rechtlich möglich.