Nationaler Bildungsbericht zeigt Mangel an Personal und Geld

Das deutsche Bildungssystem steht Forschern zufolge unter hohem Druck. Das hat viele Gründe und auch Folgen: Leistungen sinken, und die soziale Ungleichheit bleibt hoch. Die Gewerkschaft GEW spricht von einem “Weckruf”.

Fehlendes Personal und Geld, sinkende Schulleistungen sowie Zuwanderung und Digitalisierung: Das Bildungssystem in Deutschland arbeitet dem aktuellen nationalen Bildungsbericht zufolge am Anschlag. In einigen Bereichen wie der Ganztagsbetreuung an Grundschulen übersteigt die Nachfrage demnach vielerorts das Angebot. Auch die soziale Ungleichheit bleibe hoch, heißt es in dem am Montag in Berlin vorgelegten Bericht “Bildung in Deutschland 2024”.

Der von der Kultusministerkonferenz und dem Bundesbildungsministerium geförderte nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre von Wissenschaftlern erstellt. Die Federführung liegt beim DIPF/Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Grundlage des Berichts sind amtliche Statistiken sowie wissenschaftliche Daten und Studien.

Die finanziellen Investitionen in Bildung sind laut Bericht innerhalb von zehn Jahren zwar um 46 Prozent auf 264 Milliarden Euro im Jahr 2022 gestiegen. Ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung Deutschlands habe aber nur um 0,2 Prozentpunkte zugenommen. Die Autorinnen und Autoren des Berichts fordern eine flexible und bedarfsorientierte Finanzierung.

Vielerorts gestalte sich die Gewinnung von Fachkräften weiterhin sehr schwierig, heißt es im Bildungsbericht weiter. In Kindertagesstätten werde in Westdeutschland eine bis 2035 anhaltende Personallücke erwartet. An Schulen seien im vergangenen Jahr zwölf Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte Seiteneinsteiger ohne klassische Lehramtsausbildung gewesen. Auch in der beruflichen Bildung und im Weiterbildungssektor fehle Personal. “Hier braucht es kreative Ansätze, jedoch dürfen diese eine ausreichende Professionalisierung des Bildungspersonals nicht aus dem Blick verlieren”, sagte der Sprecher der Autorengruppe des Berichts, Kai Maaz vom DIPF.

Große Herausforderungen benennt der Bericht zudem beim Thema “Bildungserfolg und soziale Ungleichheit”. Studien zeigten, dass die Schulleistungen in Grund- und an weiterführenden Schulen stagnierten oder sogar zurückgingen. 2022 verließen mit 6,9 Prozent mehr Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss als in den Vorjahren.

Weiterhin besteht im deutschen Bildungssystem auch eine hohe soziale Ungleichheit: Während nur 32 Prozent der Kinder aus ärmeren und bildungsferneren Familien eine Gymnasialempfehlung erhielten, waren es 78 Prozent der Kinder aus privilegierten Familien. Auch später setzt sich die Ungleichheit laut Bildungsbericht fort. So nehmen unter Akademikerkindern 78 von 100 Kindern ein Studium auf. Bei Kindern von Eltern ohne akademischen Abschluss sind es dagegen nur 25 von 100 Kindern.

Soziale Bildungsungleichheiten entstünden schon in der frühen Kindheit, erklärte Maaz. Kinder mit Migrationshintergrund besuchten jedoch weiterhin deutlich seltener gerade in jungen Jahren die Kindertagesbetreuung.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte den Bericht einen “eindringlichen Weckruf an alle Politikerinnen und Politiker”. Das Bildungssystem sei seit vielen Jahren unterfinanziert, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Insbesondere arme Kinder und deren Familien sowie Bildungseinrichtungen in herausfordernder Lage müssten mehr unterstützt werden.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot, verwiesen dazu unter anderem auf das Startchancenprogramm von Bund Ländern. Damit sollen ab dem kommenden Schuljahr über zehn Jahre lang bis zu 4.000 Schulen mit vielen benachteiligten Schülern gefördert werden. Aus Sicht der GEW-Chefin ist das Programm “ein richtiger, aber eben nur ein erster und zudem zu kleiner Schritt”.