Namibias Präsident ist tot – Steinmeier kondoliert

Mit Hage Geingob verliert Namibia einen Helden des Unabhängigkeitskampfes. Der Tod des Politikers könnte allerdings auch Auswirkungen auf ein ganz besonderes Kapitel der deutsch-namibischen Beziehungen haben.

Der namibische Präsident Hage Geingob ist tot. Wie Regierungsstellen auf X mitteilten, starb der Politiker am Sonntag im Kreis seiner Familie in einem Krankenhaus der Hauptstadt Windhoek. Geingob wurde 82 Jahre alt. Die Nation verliere „einen angesehenen Diener des Volkes, eine Ikone des Befreiungskampfes, den Hauptarchitekten unserer Verfassung und die Säule des namibischen Hauses“, so Interimspräsident Nangolo Mbumba. Namibia stand nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit bis 1990 unter der Verwaltung Südafrikas, das sein Apartheidsystem auf das Nachbarland übertrug.

Geingob galt auch als wichtiger Befürworter eines Dialogs auf Regierungsebene zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit. Zwischen 1884 und 1915 war Namibia unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika eine deutsche Kolonie. Die dort von den Deutschen begangenen Verbrechen gipfelten zwischen 1904 und 1908 in einem blutigen Kampf gegen die einheimischen Herero und Nama.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Geingob „einen großen und prägenden Staatsmann“. Jahrzehntelang habe er für die Befreiung Namibias vom Joch der Apartheid gekämpft, schrieb Steinmeier an die Witwe Geingobs. Zugleich erinnerte der Bundespräsident an den Kolonialdialog zwischen beiden Staaten. „Erst vor drei Monaten telefonierten wir über den Fortgang des Versöhnungsprozesses und er war voller Hoffnung über den erfolgreichen Abschluss der Gemeinsamen Erklärung.“ Deutschland bleibe dem Weg der Versöhnung mit Namibia und der Aufarbeitung des von Deutschland verübten Völkermords verpflichtet, betonte Steinmeier.

In der 2021 paraphierten „Gemeinsamen Erklärung“ verständigten sich Deutschland und Namibia darauf, die Ereignisse „aus heutiger Perspektive“ als Völkermord zu bezeichnen. In den nächsten 30 Jahren sollen rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen. Bislang allerdings fehlt die Zustimmung des namibischen Parlaments. Das Papier ist in der namibischen Öffentlichkeit weiter heftig umstritten.

Zuletzt war es zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und Namibia gekommen, weil Geingob sich persönlich in den Streit um die südafrikanische Genozid-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag einmischte. Die Bundesregierung hatte sich in diesem Streit auf die Seite Israels gestellt. Geingob unterstellte Deutschland daraufhin, „Unfähigkeit, aus seiner schrecklichen Geschichte zu lernen“. Berlins Unterstützung für den „Völkermord-Versuch des rassistischen israelischen Staates gegen unschuldige Zivilisten in Gaza“ sei schockierend.

Beobachter wie der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer vermuten, dass deswegen die Verhandlungen zur „Gemeinsamen Erklärung“ ins Stocken kamen. „Es war unter diesen Vorzeichen nicht vorstellbar, dass ein deutscher Bundespräsident, -kanzler oder Außenminister einen gemeinsamen Termin mit Geingob absolvieren könnte“, teilte Zimmerer am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit.

Der Tod des Präsidenten böte nun die Möglichkeit eines Neustarts. „Abschluss der Regierungsverhandlungen und gleichzeitig die Einleitung direkter Verhandlungen mit nichtstaatlichen Akteuren etwa nach dem Vorbild der Jewish Claims Conference.“ Dazu solle Deutschland den gleichen Betrag, der im Rahmen der Gemeinsamen Erklärung für die „de facto-Wiedergutmachung“ zur Verfügung gestellt worden sei, nun auch in diesen Prozess einbringen. „Genau 120 Jahre nach dem Genozid wäre das längst überfällig.“