Mit Lesungen und Bibel-Bus: Görlitz feiert Tag der Bibel
Sogar unter Kirchenmitgliedern lesen nur noch die Hälfte in der Bibel. Das will der Verein BibelMobil ändern und organisiert einen ganzen Tag, um die Bibel als Lebenorientierung neu zu entdecken.
„Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst (…) Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort (…) Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag“, ist das Lied des Bibeltages. Es stammt von Fritz Baltruweit (1981). In der Europastadt Görlitz werden es die Teilnehmenden zum Tag der Bibel am 27. April immer wieder singen. Wie ein roter Faden zieht es sich durch das Programm. Der Tag der Bibel in Görlitz steht unter dem Leitmotiv „Wir feiern gemeinsam das Buch des Lebens“. Der bundesweit aktive Verein Bibel-Mobil e. V. organisiert ihn mit vielen Partnern in Stadt und Region.
„So ein Tag der Bibel ist dringend geboten“, meint Initiator Ludwig Ammer (86), von 1985 bis 2000 in Görlitz Provinzialpfarrer für Diakonie und Missionarische Dienste und heute im Ruhestand. Er verweist auf die sechste von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gestartete bundesweite Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2023. Ihr Fazit weckt Sorge und Ernüchterung. Ergebnis war unter anderem: Nur zwei Prozent der Deutschen lesen täglich noch in der Bibel. 65 Prozent lesen gar nicht darin. Selbst 50 Prozent der Kirchenmitglieder meinten: Die Bibel habe für ihr Leben keine Bedeutung. „Solche Aussagen beunruhigen“, sagt Ludwig Ammer. „Wir wollen das nicht hinnehmen. Die Idee ist: Wir laden einen ganzen Tag lang ein, die Bibel als Lebensorientierung wieder neu und kreativ zu entdecken.“
Gerade Görlitz mit einzigartigen Sehenswürdigkeiten wie dem Biblischen Haus, der Kultur- und Andachtsstätte Heiliges Grab mit Kidrontal, dem Nikolai-Friedhof, 4.000 Denkmälern in der Stadt, dem Verein BibelMobil und mit weiteren Initiativen eignet sich hervorragend dafür. „Der Tag der Bibel am 27. April ist ein Pilotprojekt. Erstmals findet er in Deutschland statt“, sagt Thomas Brendel (71), seit 2017 Vorsitzender des bundesweit aktiven Vereins BibelMobil e. V. „Die Idee ist: Das BibelMobil trägt das Leitmotiv weiter.“ Wo auch immer der mobile Bibel-Bus künftig Station macht, sei vor Ort ein „Tag der Bibel“ mit vielfältigen Aktionen vorstellbar.
Kriminalgeschichten aus der Bibel
Das Leitmotiv für den 27. April spricht für sich. „Dieses Motto bedeutet, dass Kirche und Gesellschaft zusammenwirken“, sagt Pfarrer Ludwig Ammer. Die Bibel, betont er, erzählt vom wirklichen, praktischen Leben. Sie trägt Menschen als Fundament und als Rüstzeug des Glaubens durchs Leben und begleitet sie auf dem Weg ins ewige Leben. Zugleich ist sie ein lebendiges Buch. Die Bibel lädt zu Erfahrungsaustausch und Diskussion ein. Sie lässt sich immer wieder neu entdecken. Wo – wenn nicht in Görlitz – findet der Besucher so viele einzigartige Spuren zum Buch des Lebens, meint Pfarrer Ammer.
Circa 100 kleine und größere Veranstaltungen finden am Samstag, dem 27. April, in je eigener Verantwortung an verschiedenen Orten statt. Sie beginnen um 6 Uhr mit einem Morgengebet und enden um 23 Uhr mit einem Nachtgebet zum Abschluss des Bibelfests. „Jede einzelne Veranstaltung, auch die kleinste, ist wertvoll und wichtig“, sagt Thomas Brendel. „Wir wollen die Bibel im gesamten Stadtgebiet sichtbar zum Thema machen.“
An zwölf Orten in der Stadt finden thematische Bibel-Lesungen statt. Im Trauzimmer des Rathauses etwa hören die Besucher Liebesgeschichten aus der Bibel. In der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien sind biblische Kriminalgeschichten zu hören, im Bahnhof Reisegeschichten, in der Volks-und Raiffeisenbank Geldgeschichten und im katholischen Krankenhaus St. Carolus Arztgeschichten.
Neuer Bibel-Bus geht an den Start
„Am Tag der Bibel wird ein dringend benötigter neuer gebrauchter Bibel-Bus auf dem Görlitzer Postplatz in Dienst gestellt“, sagt Thomas Brendel. „Auf einer historischen Druckerpresse können dort Besucher Bibeltexte drucken.“ Möglich ist die Inbetriebnahme des neuen Bibelbusses dank Mitteln des Evangelischen Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), dank unzähliger kleiner und größerer Spenden, dank Mitteln der Deutschen Bibelgesellschaft und einer Kollekte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. „Dafür sind wir sehr dankbar.“
In der Görlitzer Frauenkirche werden die Deutsche Bibelgesellschaft und das Katholische Bibelwerk mit Ständen vor Ort sein. Eigens zum Tag der Bibel erscheint das Buch „Das Biblische Haus in Görlitz. Eine Betrachtung“ von Hans-Wilhelm Pietz. Von 2004 bis Ende 2010 war er Regionalbischof des Sprengels Görlitz der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Später war er Pfarrer der Görlitzer Innenstadt-Gemeinde.
Kinder-Bibel erscheint
Das Biblische Haus in Görlitz (1570) gilt als Kleinod der Renaissance. Die Abbildungen an der Fassade zeigen einzigartige Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament. „Fotomotive des Biblischen Hauses haben wir für das Programmheft verwendet“, erläutert Thomas Brendel und fügt hinzu: „Ursprünglich war eine Auflage von 2 000 Exemplaren vorgesehen. Jetzt sind wir bei 7 000 Exemplaren. So stark ist das Interesse.“
Eigens zu diesem Tag erscheint eine Kinder-Bibel. Brigitte Lampe, früher Pfarrerin in Rothenburg, stellte sie zusammen. Kinder malten auf ihre Anregung hin Bilder zur Bibel. Brigitte Lampe schrieb Texte dazu.
Die Bibel auf israelischen Briefmarken
In der Stadtbibliothek Görlitz öffnet im Rahmen des Tags der Bibel die Sonderausstellung: „Bibel, Geschichte und Gegenwart auf israelischen Briefmarken.“ Es sind Sammelzeugnisse von Albrecht Kaul. Er war früher stellvertretender Generalsekretär des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) in Deutschland. Seine Ausstellung in der Stadtbibliothek ist vom 17. bis 30. April zu sehen.
Zum Tag der Bibel bringen sich auch Kirchengemeinden rege mit ein. Unter dem Motto „Halte Ma(h)l“ laden sie zu einem Bibelfrühstück ein. „Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Gut gestärkt gehen wir in den Tag“, stellt der Verein BibelMobil in seiner Ankündigung in Aussicht. Fünf Görlitzer Gaststätten greifen den Impuls mit auf. In der Schneider -stube des Romantik-Hotels Tuchmacher zum Beispiel gibt es Osterlamm. Die Görlitzer Stadtmission wiederum bietet „Jakobs Linsengericht“ an.
Heiliges Grab und Peter- und Paul-Brötchen
Die Kultur- und Andachtsstätte Heiliges Grab lädt zu Führungen ein. Ebenso wird zu einem Spaziergang durch das nahegelegene Kidrontal und die Jüngerwiese zum Ölberg eingeladen. Das Heilige Grab ist eine original erhaltene mittelalterliche Pilger- und Andachtsstätte, die Georg Emrich (1422–1507), der Sohn eines reichen Kaufmannes in Görlitz und dessen späterer Bürgermeister, als Nachbildung des Jerusalemer Heiligen Grabes zwischen 1481 und 1489 in Görlitz anlegen ließ. Diese besteht aus Salbhaus, Grabkapelle und Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz.
Mit Brot, Wein und Musik findet am Abend des 27. April das Bibelfest in der Peterskirche statt. „Posaunen werden uns begrüßen“, kündigt Thomas Brendel an. „Wir begegnen historischen Persönlichkeiten. Musik der berühmten Sonnenorgel wird uns erfreuen. Für eine Spende von 5 Euro können Besucher einen extra für diesen Tag gefertigten Tonbecher erwerben und daraus Wein aus Israel oder Saft trinken. Mit einem Nachbarn können wir symbolisch ein ,Peter und Paul-Brötchen‘ teilen.“
Ludwig Ammer und Thomas Brendel hoffen zum Tag der Bibel auf viele Begegnungen und regen geistlichen Austausch. Lebensfreude, Diskussionen und neues Interesse für die Bibel soll der Tag wecken. Bei den Görlitzern selbst soll er die Sinne für die Schönheit und für die Einzigartigkeit ihrer Stadt erneut wachrufen. „Sie dürfen mit Recht stolz sein auf die vielfältigen Orte mit biblischen Bezügen in ihrer Heimatstadt“, unterstreichen die Beiden.
Zu den Mitorganisatoren gehören diese Partner: evangelische und katholische Kirchengemeinden, die Stadt Görlitz, Schulen, Museen, die Stadtbibliothek, die Sternwarte, das Filmpalastkino, der Tierpark Görlitz, die Stadtinformation, die Deutsche Bibelgesellschaft, das Katholische Bibelwerk, die Alte Synagoge, das Kulturforum Neue Synagoge und weitere Unterstützer. Zahlreiche Einwohner bringen sich privat mit ein.
Terminhinweis: Samstag, 27. April, Tag der Bibel in Görlitz, 6-23 Uhr. Das Programmheft gibt es kostenlos an allen Veranstaltungsorten.