Militärhistoriker kritisiert Traditionspflege bei der Bundeswehr

In der Bundeswehr gibt es nach den Worten des Militärhistorikers Jakob Knab noch immer Kräfte, die sich gegen eine Traditionspflege im demokratischen Geist stemmen. Das zeige beispielhaft der siebenjährige Konflikt um eine Büste des NS-Gerichtsherrn Konteradmiral Rolf Johannesson in der Aula der Marineschule in Flensburg, sagte der Gründer und Sprecher der „Initiative gegen falsche Glorie“ dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bremen.

Die Büste habe bis vor kurzem auf Augenhöhe mit der des Widerstandskämpfers Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder gestanden, sagte Knab, der im bayerischen Kaufbeuren lebt. Dabei habe Johannesson unter anderem das NS-Programm „Vernichtung durch Arbeit“ beim Bau des Bremer U-Boot-Bunkers „Valentin“ unterstützt. Erst jetzt sei die Büste des NS-Gerichtsherrn auf den Flur gestellt worden und werde dort „historisch-kritisch kontextualisiert“.

Fälle wie diesen beschreibt Knab in einem Buch, das er unter der Leitfrage „’Helden‘ der Vergangenheit?“ und mit dem Untertitel „Zum Elend der Traditionspflege in der Bundeswehr“ gerade im Bremer Donat-Verlag herausgegeben hat. Er will es am kommenden Dienstag (6. Februar) im Rahmen einer Buchpremiere in der Zentralbibliothek der Hansestadt vorstellen.

Obwohl sich die Bundeswehr auch auf der Basis ihres Traditionserlasses aus dem Jahr 2018 zu den Grundwerten Recht, Freiheit und Menschenwürde bekenne, halte sie noch immer an bedenklichen Kasernennamen fest, kritisierte Knab. Allerdings sei die Bundeswehr in diesem Konflikt kein monolithischer Block: „Den Traditionalisten, die in Ehre, Tapferkeit und Tüchtigkeit die obersten Tugenden sehen, stehen Reformer gegenüber.“

Knab nennt im Zusammenhang mit diesem Streit als aktuelles Beispiel die Kaserne im niedersächsischen Munster, die nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) benannt ist. „Hindenburg ist der Totengräber der Weimarer Republik“, sagte der Aktivist, der gerade Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einem offenen Brief um Unterstützung bei der Umbenennung der Kaserne gebeten hat. Hindenburg könne kein Vorbild für eine Bundeswehr sein, die Recht und Freiheit verpflichtet sei.

Der 72-jährige Knab setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, unter anderem Kasernen von Namen umstrittener Wehrmachtssoldaten zu befreien. Auf einer Liste dokumentiert er rund zwei Dutzend Umbenennungen etwa in Füssen, Visselhövede und Bad Reichenhall. Die Anstöße dafür seien überwiegend aus der Zivilgesellschaft gekommen, bilanzierte Knab und betonte: „Für die Umsetzung war ein langer Atem nötig.“

Knab selbst wurde für sein Engagement oft angefeindet und hat sogar Morddrohungen erhalten. So erinnert er sich bis heute an eine nächtliche Drohung am Telefon: „Du Drecksau bist im Fadenkreuz.“