Mehr Kinderschutz und Rechte für Missbrauchsopfer geplant

Nach einigem Ringen hat sich die Regierung geeinigt: Betroffene von Missbrauch bekommen künftig ein Recht auf Akteneinsicht in Jugendämtern. Auch der Schutz von Kindern und die Aufarbeitung werden gesetzlich gestärkt.

Mehr Rechte für Opfer von Missbrauch, besserer Schutz für Kinder: Dazu hat die Bundesregierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Betroffene sollen damit ein Recht auf Akteneinsicht in Jugendämtern bekommen.

Zudem soll das Amt der Missbrauchsbeauftragten aufgewertet werden. Sie soll künftig regelmäßig einen Bericht vorlegen, in dem es um das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Prävention, Unterstützungsangebote sowie Forschung und Aufarbeitung geht. Auch einen Arbeitsstab sowie den Betroffenenrat und die unabhängige Aufarbeitungskommission will die Regierung gesetzlich verankern.

Der Bund will darüber hinaus ein Beratungssystem für Betroffene einrichten. Mit Aufklärung, Sensibilisierung und Qualifizierung wird laut Gesetzentwurf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beauftragt. Für mehr Institutionen in der Kinder- und Jugendhilfe soll die Anwendung von Schutzkonzepten verpflichtend werden.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sagte dem “Spiegel” (Mittwoch), das Gesetz sei “ein zentraler Schritt, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu holen und Kinder besser zu schützen”. Es sei wichtig, dass erstmals die Rechte von Betroffenen gestärkt würden. Zudem äußerte Claus eine Hoffnung: “Wir werden hoffentlich bald weniger diskutieren, ob es mehr Kinderschutz braucht, sondern mehr, wie wir den Kinderschutz qualitativ verbessern können.”

Nicht im Gesetzentwurf geregelt ist hingegen die Zukunft des Fonds Sexueller Missbrauch, der 2013 aufgelegt worden war. Er soll Unterstützung zur Bewältigung der Folgen von sexualisierter Gewalt in der Kindheit und Jugend gewähren. Betroffene können bislang Sachleistungen wie Therapien oder Bildungsmaßnahmen im Gesamtwert bis zu 10.000 Euro beantragen.

Die aktuelle Aufarbeitungskommission begrüßte den Gesetzentwurf als “Meilenstein”. Die Unterstützung Betroffener werde auf vielfache Weise verbessert – auch durch die Stärkung der Kommission. Sie werde mit der Pflicht, regelmäßig über den Fortschritt der gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung zu berichten, “zur konstruktiven Mahnerin und Impulsgeberin für Politik und Zivilgesellschaft”. Allerdings müsse die ehrenamtlich arbeitende Kommission finanziell und personell besser ausgestattet werden.

Nötig sei auch die weitere Stärkung der Rechte Betroffener. “Keine Institution in Staat und Gesellschaft darf sich der Aufarbeitung verweigern”, erklärte die Kommission. Das Akteneinsichtsrecht dürfen nicht nur für die für die Kinder- und Jugendhilfe gelten, sondern müsse auch andere Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen einbeziehen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci erklärte, man habe auf den Gesetzentwurf aus dem Familienministerium viel zu lange warten müssen. An die Adresse von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der SPD-Politiker: “Es darf nicht sein, dass der Schutz Betroffener und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an finanziellen Hürden scheitern.” Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP hatte ihre Entscheidung zu dem Gesetzentwurf zuletzt mehrfach verschoben.

Die Berichtspflicht der Beauftragten an den Bundestag werde zu einer deutlich höheren Wahrnehmung des Themas führen, sagte Castellucci der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Das ist wichtig, denn sexualisierte Gewalt darf kein Tabu-Thema sein, sonst nimmt sie immer weiter zu.” Aufarbeitung brauche überdies “einen verbindlichen Rahmen, auf den sich Betroffene verlassen können und nach dem sich Institutionen verbindlich richten müssen”.