Maler der Stimmungen und des Lichts

Das berühmteste Gemälde in Berlin leuchtet in Blau: Ein riesiger Himmel, der sich fast über die gesamte Bildfläche erstreckt, zum Horizont hin verdunkelt und schließlich in das nachtschwarze Blau des Meeres übergeht. Ganz unten am Bildrand steht, wie verloren, ein winziger Mensch: Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“.

Die Zeitgenossen waren fasziniert, es wirke, „als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären“, brachte Heinrich von Kleist (1777-1811) seinen Eindruck in den Berliner Abendblättern auf den Punkt. Gleich daneben hängt die „Abtei im Eichwald“, die düstere Ansicht einer Kirchenruine mit Trauerzug, gerahmt von kahlen Bäumen, die in den Winterhimmel ragen. Zu sehen die Meisterwerke ab Freitag in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Unter dem Titel „Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften“ würdigt das Museum den wichtigsten Maler der deutschen Romantik zu dessen 250. Geburtstag.

1810 gelang Caspar David Friedrich (1774-1840) mit diesen beiden Gemälden der künstlerische Durchbruch in Berlin. Das Bilderpaar, das der preußische König Wilhelm III. sofort ankaufte, bildet den Auftakt zu der großen Friedrich-Ausstellung. Mit 61 Gemälden, darunter 15 aus eigenem Bestand, sowie 54 Zeichnungen, überwiegend aus dem Berliner Kupferstichkabinett, vermittelt die Ausstellung einen umfassenden Eindruck von Friedrichs Schaffen.

Natur, Stimmung, Unendlichkeit – mit diesen drei Begriffen fasst Kuratorin Birgit Verwiebe das Wesen von Friedrichs Kunst zusammen: „Es sind Bilder, die sich nicht im Sichtbaren erschöpfen, er stellt Fragen nach der menschlichen Existenz und der Grenze des Lebens. Das ist der Grundtenor dieser Bilder.“

Ausgangspunkt für die Ausstellung ist die Rolle der Nationalgalerie bei der Wiederentdeckung des Romantikers. 1906 feierte der damalige Direktor Hugo von Tschudi auf seiner „Jahrhundertausstellung“ Friedrich, der nach seinem Tod 1840 in Vergessenheit geraten war, als Vorreiter der neuen Kunst des Impressionismus. Der aktuellen Schau ist es gelungen, etwa die Hälfte der von Tschudi gezeigten 93 Gemälde wieder zu vereinen. Neben dem „Mönch“ sind weitere Meisterwerke wie „Der einsame Baum“ (1822), „Das Eismeer“ (1823/24), „Lebensstufen“ (1834), „Hünengrab im Schnee“ (1807) und „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (1819/20) zu sehen.

Ausgehend von den Bilderpaaren zu den beiden Polen in Friedrichs Schaffen, Natur und Mensch, die im Auftaktsaal im ersten Geschoss der Nationalgalerie zu sehen sind, zeigen die Säle im Obergeschoss die Werke nach Themen geordnet. Eine zentrale Stellung nehmen Friedrichs wichtigste Motive ein. Ein Komplex widmet sich Küste und Ufer, die in den Bildern des in Greifswald geborenen Künstlers zugleich auch Sinnbild für die Lebensreise des Menschen sind, etwa durch sich entfernende oder ankommende Schiffe oder Menschen, die vor der Weite des Meeres kontemplieren.

Das nach seiner Hochzeitsreise gemalte Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818/19), erzählt auch von Hoffnung und Aufbruch, das Spätwerk „Lebensstufen“(1834) hängt daneben und zeigt einen alten Mann, vermutlich Friedrich, auf der Mole, der mit Distanz auf seine Frau und die drei Kinder schaut, als blicke er auf sein Leben zurück. Neben der Küste gehören die Flussufer bei Greifswald oder auch die Elbe bei Dresden, der Wahlheimat des Künstlers, zu den beliebten Motiven des Malers.

Ein weiterer großer Themenkomplex zeigt die Vorliebe des Wanderers Friedrich für Wald und Gebirge, insbesondere das Riesengebirge, das er gemeinsam mit Freunden erkundete. Dabei hielt er seine Eindrücke zunächst mit dem Zeichenstift fest, die Gemälde arbeitete er später im Atelier aus und kam mitunter zu ganz neuen Bildschöpfungen. Er, der die Alpen nie selbst gesehen hatte, setzte die Großartigkeit des Hochgebirges in Szene, etwa in dem berühmten „Watzmann“ (1824/25), wo er Felsformationen aus dem Harz als Bildelement verwendete.

Auf der Basis neuer Forschungsergebnisse der Nationalgalerie nach der Restaurierung des „Mönch am Meer“ widmet sich eine eigene Raumfolge den Maltechniken Friedrichs und seiner Verwendung von Farben, darunter auch die Herstellung des für ihn typischen Blautons. Den Schlusspunkt der Ausstellung bilden aktuelle Arbeiten des Fotokünstlers Hiroyuki Masuyama, in denen er Gemälde Friedrichs als hinterleuchtete Fotomontagen rekonstruiert. Die großzügig gehängte Schau ermöglicht den Betrachtern, ganz in das magische Licht von Friedrichs Landschaften einzutauchen und im intensiven Dialog mit seinen Bildern Antworten zu finden auf die Fragen, die sie stellen.