Lieferkettengesetz: Unterschiede EU-Recht und deutsches Recht

In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein Lieferkettengesetz. Das im März von den EU-Mitgliedsstaaten beschlossene EU-Lieferkettengesetz geht in Teilen darüber hinaus. Aber wo sind die größten Unterschiede? Ein Überblick.

Was ist das Ziel beider Lieferkettengesetze?

Die Richtlinien sollen dafür sorgen, dass Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten im Ausland sicherstellen. So soll bei der Produktion etwa Kinderarbeit verhindert sowie die Rechte von Indigenen und die Umwelt geschützt werden.

Wie unterscheidet sich die EU-Richtlinie vom deutschen Lieferkettengesetz?

Beide Regelungen gelten für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden. Das deutsche Gesetz gilt unabhängig vom Umsatz, die EU-Richtlinie greift ab einer jährlichen Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro. Außerdem ermöglicht das EU-Gesetz einzelnen Personen, die durch die Unternehmen zu Schaden kamen, zivilrechtlich dagegen vorzugehen. „Damit wird der Rechtsschutz von Betroffenen verbessert“, sagt Paula Korth, Referentin für unternehmerische Sorgfaltspflichten bei „Brot für die Welt“ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Darüber hinaus macht das EU-Gesetz Vorgaben zum Klimaschutz, und die umweltbezogenen Sorgfaltspflichten gehen weiter als die des deutschen Gesetzes.

Wofür haften die Unternehmen?

Die Unternehmen müssen laut EU-Lieferkettengesetz für die gesamte Lieferkette Sorge tragen. Das heißt, sie müssen in Risikoanalysen herausfinden, welche menschenrechtlichen Unsicherheiten oder Umweltrisiken es in ihren Lieferketten gibt. Wenn Sie diese Sorgfaltspflichten nicht umsetzen, sind sie haftbar. „Wenn ein Fabrikarbeiter in Pakistan keine Überstunden bezahlt bekommt, weil das Unternehmen in Deutschland kurze Lieferfristen und niedrige Preise verlangt, kann das Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden“, erläutert Korth. „Der Grund ist, dass sie trotz des Wissens um die unbezahlten Überstunden ihre Einkaufspolitik nicht angepasst und die Schäden damit mitverursacht haben.“ Das deutsche Gesetz decke zwar prinzipiell auch die gesamte Lieferkette ab, die Pflicht der regelmäßigen Risikoanalyse beschränke sich allerdings auf die direkten Zulieferer und den eigenen Geschäftsbereich.

Was verbessert sich mit dem EU-Lieferkettengesetz für Geschädigte?

Durch das EU-Lieferkettengesetz sind die Bedingungen für Klagen einzelner Geschädigter verbessert worden: Die Verjährungsfristen wurden gegenüber früheren Verfahren verlängert und der Zugang zu Informationen verbessert. Das war laut Korth bisher ein Problem, weil Betroffene ihren Schaden beweisen müssen. „Solche Informationen sind aber oft unternehmensintern und nicht öffentlich zugänglich.“ Wichtig sei zudem, dass Menschen vor Ort über ihre Rechte informiert würden. Um einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Anfeindungen zu schützen, könnten auch Nichtregierungsorganisationen Rechte geltend machen.

Zeigt das deutsche Gesetz bereits Wirkung?

„Eine positive Auswirkung, die wir auch schon beim deutschen Lieferkettengesetz sehen, ist, dass Unternehmen jetzt mehr gewillt sind, mit Betroffenen zu sprechen“, sagt Korth. Diese Möglichkeit von Klagen oder Beschwerden in der Hinterhand stärke die Verhandlungsmacht der Arbeiterinnen und Arbeiter. So berichtete die deutsche Frauenrechtsorganisation Femnet im Februar, dass pakistanische Gewerkschaften zum ersten Mal die Möglichkeit haben, mit deutschen Unternehmen an einem Tisch zu sitzen, um über ihre Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie zu sprechen.