Kurschus: Die Welt braucht in den Krisen Hoffnung, Mut und Gotteslob

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat am Reformationstag dazu aufgerufen, trotz der aktuellen Krisen und Kriege die christliche Hoffnung in die Welt zu tragen und in Liedern und Gebeten Gott zu loben. „Selten war in der Welt die Hoffnung so kleinlaut und schwindsüchtig, selten waren unsere Gewissheiten so labil und zerbröselt wie in diesen Zeiten, da sich Krise an Krise reiht und Unheil auf Unheil türmt“, sagte sie am Dienstagabend im Reformationsgottesdienst in der Bonner Kreuzkirche. „Den Überschuss an Hoffnung und Gewissheit, der im Gotteslob schwingt und unser Tun beflügelt, bringt niemand in die Welt, wenn wir’s nicht tun.“

„Im Loben wachsen die Kräfte und der Mut, jedes Leben hochzuachten, jedes Leben mit allem Einsatz zu schützen“, sagte die 60-jährige Theologin, die auch Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist, laut Redetext in ihrer Predigt. „Wir müssen die Sprache des Lobens immer neu lernen und einüben, damit wir widerstandsfähig bleiben gegen die Mächte, die das Leben gefährden und die uns resignieren und verstummen lassen.“ Die Gesellschaft sei deshalb nicht nur auf die diakonischen Dienste und sozialen Einrichtungen der Kirchen angewiesen, sondern brauche die Christen auch, „weil wir Gott loben“.

Das gehe aber nur, „indem ich den Menschen neben mir in den Blick nehme“, unterstrich die oberste Vertreterin des deutschen Protestantismus: das Leid, das Unrecht, den Hunger, die Armut und die Vorurteile, die Menschen zu schaffen machten. Es brauche zudem Melodien und Lieder: „Es kommt nicht von ungefähr, dass die Reformation sich vor allem singend unter den Menschen ausgebreitet hat.“ Die politischen Herrscher aller Zeiten hätten sich eigener Lieder bedient, um ihre Macht zu festigen, und „die Lieder der anderen gefürchtet“. Protest gegen die Mächtigen werde immer als Protestsong geäußert.

Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten, der „durch die Attacke der palästinensischen Hamas gegen Israel“ begonnen worden sei, warnte Kurschus vor einfachen Antworten. „Wir müssen aushalten, nicht zu wissen, wie Friede werden soll“, sagte sie. „Wir müssen aushalten, nicht zu wissen, was richtig ist und was falsch. Auf so viele drängende Fragen haben wir keine eindeutigen Antworten.“ Angesichts eigener Ratlosigkeiten, Fehler und Irrtümer müsse vielleicht gewagt werden, „Widersprüche in uns selbst zuzulassen“ und „in der Nachfolge Jesu den allzu leicht fertigen und darin leichtfertigen Antworten zu widerstehen – um Gottes und der Menschen willen“.

Am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, hätten sich in den Kirchen spontan Menschen zu Friedensgebeten versammelt, sagte Kurschus weiter. Sie hätten gemeinsam geschwiegen, geklagt, gebetet, gesungen und Gott gelobt. Seit Beginn des Nahost-Kriegs höre man jeden Tag von Demonstrationen für die eine wie für die andere Seite, stellte die EKD-Ratsvorsitzende fest und fragte: „Was ist mit Friedensgebeten? Sind wir ihrer müde geworden?“