Kritik an entfernten Häfen für Seenotretter in Italien

Seenotretter müssen nach Rettungsaktionen im Mittelmeer manchmal tagelang fahren, um in einem italienischen Hafen anlanden zu können. Grund ist ein Dekret von Italiens Regierung. Das steht nun in der Kritik.

In Italien ist Kritik am Umgang von Regierung und Behörden mit privaten Seenotrettern laut geworden. Einem Dekret zufolge müssen deren Schiffe nach einer Rettungsaktion einen amtlich zugewiesenen Hafen ansteuern. Der Vorwurf lautet, dass die Behörden zu weit entfernte Häfen vorgäben und so Menschenleben riskierten.

Die italienische Tageszeitung „Avvenire“ berichtete am Sonntag online, dass die Regierung die Gründe für dieses Vorgehen nicht transparent mache. Das Innenministerium und die Hafenbehörde bezögen sich auf Anfrage auf unbekannte Nato-Operationen, Gerichtsverfahren und den Schutz internationaler Beziehungen, ohne ins Detail zu gehen. Zugang zu Dokumenten gewährten sie nicht.

Aufhänger für die aktuelle Debatte ist eine Rettungsaktion der „Ocean Viking“. Das Schiff der Nichtregierungsorganisation SOS Mediterranee hatte Migrantinnen und Migranten aus einem Schlauchboot aufgenommen, das bereits seit mehreren Tagen auf dem Mittelmeer getrieben war. Die Crew brachte 25 Menschen an Bord, die berichteten, dass etwa 60 weitere bei der Überfahrt gestorben seien. Laut Organisation waren die Geretteten geschwächt und wiesen teilweise Verbrennungen von der Sonne auf.

Am Freitag wurden zwei Migranten wegen ihres dramatischen Gesundheitszustands per Helikopter in Krankenhäuser gebracht. Die Behörden wiesen dem Schiff für die restlichen „Passagiere“ den Hafen von Ancona in den Marken zu. Insgesamt befanden sich rund 350 gerettete Menschen auf der „Ocean Viking“, die die Crew in vier Aktionen aus dem Mittelmeer aufgenommen hatte.

Die Seenotretter erbaten einen näheren Hafen. Nach Appellen von Oppositionspolitikern durften am Samstag die 23 Geretteten aus dem Schlauchboot im sizilianischen Catania an Land gehen. Das Schiff musste danach mit den restlichen Migrantinnen und Migranten die Reise nach Ancona fortsetzen. Die Fahrt wird voraussichtlich mehrere Tage dauern.