Konstantin Wecker: Es braucht eine internationale Friedensbewegung

Der Liedermacher Konstantin We­cker engagiert sich bereits seit Jahrzehnten in der Friedensbewe­gung. Warum er das macht und wie er im Nahost-Krieg mitfühlt, hat er Sibylle Sterzik erzählt.

Konstantin Wecker im Mai bei einem Auftritt in Wien
Konstantin Wecker im Mai bei einem Auftritt in WienImago / Sepa-Media

Was möchten Sie als Friedensbote bewirken?
Konstantin Wecker: Ich möchte den Menschen Mut machen, wie­der das Hoffen zu lernen und nicht zu verzweifeln angesichts von Krieg, Massakern und der Logik des Terrors, der die Zivilbe­völkerungen zu Geiseln einer mili­taristischen Logik des Tötens macht. Trotz dieser schrecklichen Zeiten werde ich mir meine Hoff­nung auf eine herrschaftsfreie, friedlichere und gerechtere Welt für alle Menschen nicht zerstören lassen. Es ist die einzige Perspekti­ve für das Überleben der Mensch­heit angesichts von Kriegen und Klimawandel.

Ich möchte also Mut machen zum Beispiel mit dem berühmten Antikriegslied „Es ist an der Zeit“ unseres Freundes Hannes Wader, das ich gemeinsam mit Reinhard Mey im Sommer neu aufgenom­men habe. Die Single erscheint am 10. November. Das Lied ist die von Hannes Wader getextete und ge­sungene Version von Eric Bogles „No Man’s Land“. Für unser Engagement für eine gerechtere und friedlichere Welt brauchen wir Empathie mit den betroffenen Menschen von Ter­ror und Krieg: Ich fühle mit den Angehörigen der von der Hamas ermordeten, gefolterten, verge­waltigten und entführten Kinder, Jugendlichen, Frauen, Alten und Männer. Mit den ermordeten Fes­tivalgästen, den Menschen aus den überfallenen Kibbuzim, den Antibesatzungs-Aktivistinnen und -aktivisten, die in den überfallenen Dörfern hingerichtet oder entführt wurden.

Und ich fühle mit den pa­lästinensischen Kindern, Frauen und Männern in Gaza, die hilflos dem Terror der Hamas und der Kriegsführung der in Teilen rechts­extremen israelischen Regierung ausgeliefert sind.

Was verbinden Sie mit der Losung der Friedensdekade 2023 „sicher nicht – oder?“
Als Pazifist begleitet mich die For­derung der internationalen Frie­densbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ seit dem „Kalten Krieg“, also schon seit Jahrzehn­ten. Das verbindet mich auch mit der Friedensbewegung damals in der DDR und in der BRD. Und die Forderung ist das Motto der Öku­menischen Friedensdekade. Des­halb engagiere ich mich gerne als Friedensbote: Das aktuelle Motto „Sicher nicht – oder?“ bedeutet für mich, falsche Sicherheiten infrage zu stellen. Waffen und Kriege werden dauerhaft niemals Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen bringen.

Nur Vertrau­en, soziale Gerechtigkeit und kon­sequente Solidarität gegen alle Formen der Unterdrückung und Ungerechtigkeit wird langfristig Sicherheit für uns Menschen schaffen. Es sind schreckliche und erschütternde Zeiten: Als Antimi­litarist und Pazifist bin ich fest davon überzeugt, dass nur eine internationale Friedens- und Anti­kriegsbewegung zum Beispiel auch diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Putins Machtap­parat gegen die Menschen in der Ukraine stoppen kann. Wie all die anderen Kriege auch.

Was sollte sich Ihrer Meinung nach im Blick auf den Frieden in der Welt ändern?
Schon fast 20 Monate dauert der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Täg­lich werden Menschen getötet und verstümmelt. Die Aussichten auf ein baldiges Ende des Kriegs gegen die Ukraine stehen schlecht, der Krieg ist zu einem „Abnutzungskrieg“ geworden. Er wird nicht gewonnen werden, sondern wie so oft in der Weltge­schichte viel zu spät zu Ende ge­hen. Wir sollten verstehen, um zu handeln. In meinem Antikriegs­manifest am 3. März 2022 habe ich geschrieben: „Lasst uns unsere Friedensfreund*innen in Russland unterstützen (…): Nur eine Revolte unter den russischen Soldaten kann diesen Krieg sofort stoppen! Und die Älteren unter uns werden sich erinnern: So war es auch in Vietnam – der Anfang vom Ende des US-Angriffskrieges damals war die massenhafte Desertion und die Revolten der einfachen US-Soldaten gegen ihre Offiziere und Generäle.“

Warum unterstützen Sie die dies­jährige Ökumenische Friedensde­kade?
Weil diese imperialen Kriege so­fort beendet werden müssen: Der Krieg gegen die Menschen in der Ukraine genauso wie der gegen die Kurdinnen und Kurden in der Türkei, in Nordsyrien, im Iran. Ebenso müssen die drohenden, noch viel größeren Kriege verhin­dert werden. Wir brauchen eine weltweite Bewegung gegen alle Kriege und gegen jede Form des Faschismus: Ob es die alten oder neuen Nazis in Deutschland sind oder die islamistischen Faschisten der Hamas, des IS oder anderer islamistischer Organisationen. In meinem Lied „Die Weiße Rose“ schrieb ich über diese mutigen jungen Menschen: „ihr habt ge­schrien, wo alle schwiegen – es ging ums Tun und nicht ums Sie­gen“: Diese jungen Menschen ha­ben mir und vielen anderen Men­schen wie viele namenlose Deserteure Mut gemacht: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ schworen sich die wenigen Überlebenden der deutschen Kon­zentrationslager 1945 bei ihrer Befreiung. In diesem Geiste bin ich groß geworden, und daran halte ich mich bis heute.