Kommission zum Olympia-Attentat fordert volle Akteneinsicht

Volle Einsicht in noch gesperrte Aktenbestände hat die Kommission zur Aufarbeitung des Olympia-Attentats vom 5. September 1972 gefordert.

Volle Einsicht in noch gesperrte Aktenbestände hat die Kommission zur Aufarbeitung des Olympia-Attentats vom 5. September 1972 gefordert. Der Zugang zu den Quellen werde über „Erfolg oder Misserfolg“ des auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekts entscheiden, erklärte Shlomo Shpiro, Professor an der Bar-Ilan-Universität von Tel Aviv, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch im Münchner Institut für Zeitgeschichte.

Eine umfassende Erforschung des Attentats vor 51 Jahren sei dringend nötig: „Es führt ein Seidenfaden vom Olympischen Dorf zum Breitscheidplatz“, sagte der Terrorismusexperte mit Blick auf den islamistischen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Jahr 2016. „Wenn wir Terrorismus nicht klar erkennen, können wir ihm auch nicht vorbeugen“, sagte Shpiro.

Sein Kommissionskollege Christopher Young, Professor an der Universität Cambridge, erklärte, dass es noch viele Lücken und offene Fragen rund um den 5. September 1972 gebe. Unklar seien nach wie vor die Zusammenarbeit der beteiligten Geheimdienste, die Täterperspektive, die Unterstützung von links- und rechtsextremen Gruppen in Deutschland und der Komplex der Flugzeugentführung.

Besondere Bedeutung hätten laut Young die Erfahrungen der Hinterbliebenen. „Die jahrzehntelange Verweigerung einer Entschädigungszahlung durch deutsche Behörden verdient eine eigene Analyse“, sagte der Germanist, der zur Sportgeschichte des 20. Jahrhunderts forscht. Ohne die Hartnäckigkeit der Angehörigen „wäre eine Einberufung der Kommission undenkbar gewesen“.

Der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching, bezeichnete die Einbindung der Hinterbliebenen als „Dienst an der Würde der Opfer“. Der Umgang der deutschen Behören mit ihnen habe „viele Dissonanzen“ erzeugt. Das Forschungsprojekt solle einen Wendepunkt markieren und die Erfahrungsgeschichte der Hinterbliebenen mithilfe von wissenschaftlichen Interviews „systematisch sichtbar“ machen.

Volle Unterstützung signalisierte Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. „Einen ehrlichen, offenen, faktenbasierte Umgang mit dem Olympia-Attentat sind wir uns und den Angehörigen der Opfer schuldig“, sagte sie.

Am 5. September 1972 hatten palästinensische Terroristen Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Die Befreiungsaktion auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck scheiterte. Am Ende starben elf Israelis, ein bayerischer Polizist und fünf Terroristen. Die Hinterbliebenen aus Israel kämpften jahrzehntelang um eine Entschädigung, eine Entschuldigung und eine historische Aufarbeitung. Eine Einigung, unter anderem über 28 Millionen Euro Entschädigung, kam erst wenige Tage vor dem 50. Jahrestag am 5. September 2022 zustande.

Zur Aufarbeitung des Attentats hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im April 2023 eine internationale Kommission, bestehend aus acht Wissenschaftlern aus Israel, Großbritannien und Deutschland, einberufen. Das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin unterstützt die internationale Kommission bei ihrer Arbeit. (00/2915/06.09.2023)