Können Gesetze und EU-Wahlergebnisse die Migration stoppen?

Die Einreise in die Europäische Union soll so mühsam sein, dass Menschen aus Afrika sich gar nicht erst ohne gültige Papiere auf den Weg machen. So wollen es vor allem konservative und rechte Parteien.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat eine neue Rekordzahl zur Migration vom afrikanischen Kontinent in Richtung Europa veröffentlicht. Alleine zwischen Januar und März haben gut 13.000 Migranten die Kanarischen Inseln erreicht, ein Anstieg von 500 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2023. Von weiteren 119 Personen, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, fehlt entweder jedes Lebenszeichen oder sie sind auf der gefährlichen Überfahrt ums Leben gekommen. Zwölf Schiffswracks wurden entdeckt.

Europa debattiert seit Jahren über die Eindämmung irregulärer Migration. Länder wie Italien, wo Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) Ministerpräsidentin ist, haben längst eigene Wege eingeschlagen. Auf Grundlage eines Migrationsdeals sollen Asylsuchende ab August mit einem Boot in Lager nach Albanien gebracht werden. Noch vor der Wahl zum Europaparlament am 9. Juni hat die EU außerdem ein Asyl- und Migrationspaket durchgewinkt, das etwa die Abschiebung erleichtern soll.

Einen Rechtsruck hat das jedoch nicht verhindert. Rechtspopulistische Parteien haben sich in zahlreichen der 27 Mitgliedsstaaten als Sieger gefeiert. Ibrahim Manzo Diallo ist Journalist bei der Mediengruppe Air Info mit Sitz in Agadez im Niger sowie Gründungsmitglied von Alarmphone Sahara, einer Kooperation zur Unterstützung von Migranten und gegen repressive Migrationsgesetze. Er ist sicher: Die erstarkte Rechte wird Menschen in Westafrika nicht davon abhalten, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Sie schüre lediglich Ängste.

Das Verlassen der Heimat hat viele Gründe. Kriege, Krisen, Ernährungsunsicherheit wie zunehmender Klimawandel tragen dazu bei. In einigen Regionen, etwa im Senegal, gehört es aber auch zum Erwachsenwerden dazu und ist eine alte Tradition, die für die Wirtschaft zentral ist. 2022 machten die privaten Rücküberweisungen dort laut Weltbank knapp elf Prozent des Bruttosozialproduktes aus.

Wenn Migranten monatlich lediglich 100 Euro an ihre Familien senden, ist das in der Heimat für viele eine hohe Summe: Im westafrikanischen Guinea lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Jahr 2021 bei 1.230 Euro.

Diallo kritisiert auch, dass die Chancen von Migration nicht gesehen würden. “Migranten sind die Unerwünschten. Dabei gibt es unter ihnen auch Ärzte und Ingenieure, was aber nicht beachtet wird. Dabei brauchen Länder wie Deutschland gut ausgebildete Kräfte.” Doch noch etwas würde nicht beachtet: “Migration geschieht vor allem innerhalb Afrikas. Millionen Menschen bewegen sich in verschiedenen Ländern, aber nur wenige in Richtung Europa.”

Migrationsexperte Emeka Obiezu aus Nigeria schätzt, dass verschärfte Gesetze vor allem die illegale Migration über den Landweg und das Mittelmeer noch ansteigen lassen. “Wenn Menschen immer weniger Chancen auf ein Visum haben, werden sie andere Wege einschlagen”, sagt der katholische Theologe vom Orden der Augustiner. Eine abschreckende Wirkung habe das nicht. Das gelte auch für einen politischen Rechtsruck in Europa. Davon würden sich Menschen nicht abhalten lassen. Vielmehr sei es wichtig, dass Europa die Alltagsbedingungen auf dem afrikanischen Kontinent kenne.

In Senegals Hauptstadt Dakar sagt Fatou Faye, Migrationsexpertin der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Wahlergebnisse beunruhigten Menschenrechtsorganisationen. Gleichwohl würden deshalb nicht weniger Senegalesen ihre Heimat verlassen wollen. “Junge Menschen haben keine Angst vor den Herausforderungen.” Vielmehr hätten sie Vertrauen in ihre Netzwerke. “Durch diese erhalten sie Informationen, wie man sich durchschlägt, was bei der Ankunft wichtig ist, und wie man sich gegenber Behördenvertretern verhält.”

In Europa kaum Beachtung gefunden, auf dem afrikanischen Kontinent dafür umso mehr, hat die Erhöhung der Preise für ein Schengen-Visum. Erwachsene zahlen nun 90 statt 80 Euro, Kinder 45 anstelle von 40 Euro.