Laut einer Bertelsmann-Studie sind 54 Prozent der Bevölkerung sehr besorgt angesichts des Klimawandels. Welche Rolle spielt Kommunikation beim Umwelt- und Klimaschutz?
Julia Ramackers: Kommunikation ist ein entscheidender Schlüssel für den Klimaschutz. Die Fakten sind klar: Die Wissenschaft ist sich zu 99 Prozent einig, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt. Regelmäßige Studien wie die der Bertelsmann-Stiftung und des Umweltbundesamts zeigen, dass die Menschen davon überzeugt sind, dass sich etwas ändern muss und sind bereit, Maßnahmen zum Klimaschutz zu unterstützen. Jetzt geht es darum, wie diese Änderungen konkret aussehen müssen. Klimakommunikation übersetzt nicht nur Klimafakten. Sie schafft Bewusstsein, macht komplexe Zusammenhänge verständlich, baut hoffentlich Ängste ab und motiviert, Teil der Lösung zu werden. Wichtig ist, die Menschen genau dort abzuholen, wo sie stehen. Dazu gilt es Räume und Formate zu schaffen, in denen ein echter Austausch auf Augenhöhe stattfinden kann.
Warum muss anders über Klimaschutz kommuniziert werden?
Ein wichtiger Teil von Klimakommunikation ist die Klimapsychologie. Viele Menschen erleben im Kontext des Klimakrise belastende Gefühle wie Angst, Hilflosigkeit, Wut oder Trauer. Das ist verständlich, denn ja, zur Abwendung der Krise braucht es jetzt tiefgreifende Änderungen unserer Lebensweise. Es mag unbequem sein, sich mit der Drastik der Umstände auseinandersetzen zu müssen. Physikalische Gesetze lassen sich nicht aufhalten. Klimakommunikation ist der Hebel, um den nötigen Wandel zu begleiten und Menschen wirklich mitzunehmen. Wenn wir kommunizieren, müssen wir die menschlichen Grundbedürfnisse nach sozialer Verbundenheit, einem positiven Selbstwert, Ordnung und Sicherheit berücksichtigen. Erst wenn diese erfüllt sind, kann eine Person sich überhaupt auf ein Thema wie der Klimakrise einlassen.
Wie kann das funktionieren?
Wir alle sind Kommunikator:innen– egal ob zu Hause, beim Kitafest, in der Kirchengemeinde oder in Institutionen wie der Synode oder dem Kirchenkreisrat. Unser Verhalten, unsere Sprache, unsere Haltung – alles sendet ein Signal. Statt sich darauf zu fokussieren, was wir selbst loswerden oder verändern wollen und die andere Person womöglich versuchen zu überreden, lassen Sie sich mit Ihrem Gegenüber auf ein konstruktives Gespräch ein. Oft verbindet uns trotz scheinbarer Gegensätzlichkeit doch mehr als gedacht, wenn wir über unsere Werte, Gefühle und Wünsche sprechen.

Wie kann über Klimaschutz gesprochen werden, um diese Angst vor Veränderung zu nehmen?
Jedes Wort, das ich spreche, lässt bei meinem Gegenüber ein Bild entstehen. Anstatt Bilder von Verzicht und Verlust zu malen, sollten wir positive Geschichten erzählen, die faktenbasiert und handlungsorientiert sind. Wichtig ist, positive Begriffe zu verwenden. Statt von Klimawandel und Klimakrise zu reden, kann ich sagen: Ich möchte unsere gemeinsame Zukunft gestalten. Ich möchte saubere Luft für unsere Kinder. Ich möchte mich für den Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Wichtig ist auch, persönliche Geschichten zu erzählen. Wenn ich über mich erzähle, macht das sichtbar, welche Motivation ich habe, welche konkreten Erfahrungen ich in der Vergangenheit gemacht habe, die mich dazu gebracht haben, mich für unsere Mitwelt einzusetzen. Damit werde ich verständlich für eine Person. Wenn es nur um Fakten geht, kommt es zur Faktenschlacht und der Austausch schaukelt sich hoch – es geht um Recht haben statt um gegenseitiges Verständnis.
Welche Rolle kann Kirche bei Klimakommunikation spielen?
Der Schutz unserer Umwelt und unserer Mitgeschöpfe ist für uns einer der größten Aufträge. Wir sind eine Glaubensgemeinschaft, die Werte wie Solidarität, Vertrauen und Nächstenliebe in die Mitte stellt. Wir bieten einen Raum, in dem man Mensch sein darf und angenommen ist, wie man ist. Das ist total wichtig, wenn ich mir die psychologische Grundlage für Klimakommunikation ins Gedächtnis rufe: Wir möchten uns sicher und verbunden fühlen und wir möchten ein Gefühl von Ordnung haben. All das schafft Kirche. Sie gibt uns Halt in schwierigen Zeiten und wir merken, wir sind nicht allein mit unserem Hoffen und Sehnen.
Was macht Ihre Landeskirche, die Nordkirche, im Bereich der Klimakommunikation?
Bildungsarbeit im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, mit den Menschen in Kirchengemeinden ins Gespräch zu gehen und aktiv zu werden, ist seit jeher ein zentrales Anliegen in der Nordkirche. Wir sollten genau jetzt darauf hinarbeiten, Klimaschutz zur sozialen Norm, zur Normalität, zu machen. Wenn wir uns jetzt entscheiden, nichts zu tun, wird Klimaschutz immer teurer. Das können wir uns schlicht nicht leisten. Wir können jetzt Kirchengesetze so gestalten, dass sie Kirche zukunftsfähig machen. Auf der kommenden Synode Ende September wird daher das Klimaschutzgesetz novelliert. Zusammen mit zwei anderen Synodalen habe ich angeregt, dass ein eigener synodaler Ausschuss für Klimaschutz eingerichtet wurde. Den gibt es in dieser Form anderswo noch nicht. Außerdem stellt die Nordkirche ein Online-Portal zur Verfügung, wo man Praxisbeispiele, Bildungsmaterialien und Gottesdienstimpulse findet. Es gibt eine Landkarte, die darstellt, wieviel in der Breite schon passiert. Sie zeigt: Viele machen schon das, was nötig ist, in großen und kleinen Schritten. Ich sehe das Engagement in den Gemeinden und Einrichtungen der Nordkirche und bin zuversichtlich. Wenn wir uns jetzt entschließen, es ernst zu meinen mit der Bewahrung der Schöpfung, dann schaffen wir es mit Gottes Hilfe.
Julia Ramackers arbeitet im Umwelt- und Klimaschutzbüro im Ökumenewerk der Nordkirche und koordiniert die Aktion ÖkoFaire Einrichtung. Sie ist Trainerin für Klimakommunikation im Netzwerk klimakommunizieren von Klimafakten.
Das nächste 2-tägige Klimakommunikationstraining mit Julia Ramackers ist am 13./14.Februar in Hamburg. Anmeldung demnächst unter: https://nordkirche-klimaportal.de
