Kitas: Keine kurzfristige Lösung gegen Fachkräftemangel

Auf dem Papier sieht alles gut aus: Seit rund zehn Jahren gibt es einen verbrieften Rechtsanspruch auf öffentliche Betreuung für Kinder ab zwei Jahren. Für die über Dreijährigen gilt der Anspruch bereits seit 1996. Doch die Realität sieht anders aus. Es gibt deutlich zu wenig Erzieherinnen und Erzieher – das bleibt nicht ohne Folgen: „Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung.

Denn der wachsende Personalmangel in den Einrichtungen macht deren Betrieb oft unsicher, die geforderte professionelle frühe Bildung findet längst allenfalls eingeschränkt statt. Das Wort „Betreuungsnotstand“ macht die Runde. Ausbaden müssen diese Misere die Eltern, das Kitapersonal und auch die Unternehmen, wenn Eltern immer wieder ihre Kinder notgedrungen selbst betreuen müssen und dann im Job fehlen.

Laut Benjamin Kobelt, Geschäftsbereichsleiter Kinder, Jugend und Familie bei den Johannitern, einem der größten Kitaträger bundesweit, stellen die Einschränkungen aufgrund von Personalmangel „noch kein signifikantes flächendeckendes Problem dar“. Aber, so sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd), zu Herausforderungen komme es immer dann, wenn die angespannte Personalsituation einhergehe mit Krankheitswellen.

„Der Fachkräftemangel trifft viele Kitas. Aber die Personalsituation ist von Bundesland zu Bundesland und von Einrichtung zu Einrichtung sehr unterschiedlich“, sagte Jan Becht vom Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) dem epd. So würden etwa in Thüringen Einrichtungen geschlossen, weil zu wenige Kinder angemeldet werden, während in anderen Bundesländern Kitagruppen den Betrieb einschränkten, weil Fachkräfte fehlten.

Nach einer am Dienstag in Düsseldorf vom Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) vorgestellten Umfrage beklagen 56,4 Prozent der Kitaleitungen, dass sie im Schnitt ein Fünftel der Betreuungszeit mit weniger Personal als vorgegeben auskommen müssen. 84 Prozent der Kitaleitungen gaben an, dass sich der Personalmangel im Vorjahr weiter verschärft habe.

„Der Mangel an pädagogischen Fachkräften ist eine Tatsache, die auch wir in unseren 151 Kitas deutlich spüren, für den es jedoch kurzfristig keine Lösung geben wird“, sagte Sarah Hoffmann von der Katholischen KiTa gGmbH Trier auf Nachfrage. Bei Personalausfällen sei jede KiTa durch die Jugendämter dazu verpflichtet, nach einem mehrstufigen „Maßnahmenplan“ zu handeln. „Die vollständige Schließung einer Einrichtung stellt die letzte Stufe dar und kommt äußerst selten vor“, so Hoffmann. Zuvor würden Springer- und Vertretungskräfte eingesetzt oder Gruppen zusammengelegt. „Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann es zu Kürzungen der Öffnungszeiten kommen.“

Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Deutschen Kitaverbandes, rechnet „mit einem sich weiter verschärfenden Personalmangel vor allem in den alten Bundesländern, weil hier noch der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis zum Jahr 2026 dazukommt.“ Schon heute fehlten laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung bundesweit über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. Derzeit seien „alle im Markt befindlichen Fachkräfte in den Kitas eingesetzt“, erläuterte Weegmann.

Der katholische Kita-Zweckverband in Essen ist einer der größten freien Träger von Kitas in Deutschland mit rund 250 Einrichtungen. Nach Angaben von Sprecherin Lina Strafer werden bereits Zeitarbeiter eingesetzt, um „krankheitsbedingte Personalausfälle zu kompensieren“. Strafer nimmt die Politik in die Pflicht: Die frühe Bildung in den Kitas müsse gesichert werden. „Investitionen in die Ausbildung sowie die nachhaltige Integration von Quereinsteigern in das System KiTa“ sind dringend nötig.“